Ein Besuch im „Menschencafé “ für Katzen.

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Sonntagsnachmittags halb vier in Deutschland. Es ist Zeit für Kaffee und Kuchen. Der siebenunddreißigste aus Katzenkot produzierte Cold Brew Coffee mit veganem Haferbrikett vermag jedoch nicht mehr zu begeistern. Und so begibt sich der unterforderte, hippe Großstädter auf die Suche nach neuen Erlebnissen und Formen des kurzweiligen Amüsements. Die Jagd treibt ihn schließlich in eine neue Variante des naturverbundenen Konsums: das Katzencafé . Umgarnt von vierbeinigen Freunden verbringt er dort seine wenige freie Zeit. Seine Sorgen von der Seele streichelnd gibt er sich diesem Stubentiger-Balsam für urbane Psychen hin, schlürft puristische, warme Milch und kommt mit einer Perserkatze auf dem Schoß endlich zur Ruhe. Oder wie muss man sich das vorstellen? Genau dies gilt es herauszufinden und so begebe ich mich in die Höhle des Löwen – auf eine Expedition in die Tier- und Menschenwelt.

Der „Katzentempel“ begrüßt seine Besucher zunächst mit einer doppeltürigen Schleuse, an deren Ende eine kratzige, humanoide Kellnerin mit Desinfektionsspray wartet. Ich fühle mich so willkommen wie ein Grippevirus. Bevor ich mit Tieren in Kontakt kommen darf, die sich an ihrem eigenen Gesäß lecken, werde ich zunächst Keim befreit. Dies erscheint mir so logisch wie die Algebrafähigkeiten einer Siamkatze. Aber gut. Ich beuge mich der ersten Regel und hoffe am Ende des Besuchs wenigstens erneut besprüht und mit einer Fusselrolle gereinigt zu werden.

Der Frage nach einer zwingend erforderlichen Reservierung (schon verstanden, das ist hier grade the shit in der Stadt) folgt ein Kurzreferat über die allgemeinen, unbedingt zu befolgenden Geschäftsbedingungen. Während das Regelwerk auf mich niederprasselt frage ich mich, ob ich eigentlich ein Café, eine Boeing 747 oder eine Säuglingsstation betrete. Nicht anfassen beim Schlafen, nicht hochheben, nicht füttern solle man die Katzen. Ob diese Regeln auch auf das weitere Personal oder andere Besucher zutreffen, wird nicht erklärt. Ich wittere eine Lücke im System und lasse mich zu meinem Tisch geleiten. Leicht verspannt setze ich mich und lasse meinen Blick schweifen – bzw. öffne meine Ohren. Die Stimmung ist gedämpft. Niemand lacht. Es wird nur sehr leise gesprochen. Keine Katze weit und breit. Kein Wunder, mir wäre das hier auch zu fad. Ich frage mich, ob ich etwas missverstanden habe und die Katzen als günstiges Küchenpersonal eingesetzt werden. Bekommen die Tiere hier eigentlich den Mindestlohn?

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Die Inneneinrichtung des Katzentempels scheint jedenfalls auf die Huldigung der Katzen hin ausgerichtet zu sein: überall stehen Häuschen, Kartons, Kratzbäume und Kletterregale zur Entzückung der Zwei- bis Vierbeiner bereit. Es gibt sogar mit Federn bestückte kleine Angelruten. Ob zum neckischen Spiel mit anderen Gästen oder zum Abstauben der Katzentreppen ist wohl jedem selbst überlassen. Der große, vollgestellte Raum bietet die Atmosphäre eines Zoofachgeschäfts ohne Aquarien. Der Geruch weckt ähnliche Assoziationen.

Da das Café freundlich – durch ein Hinweisschild an der Eingangstür – mitteilt kein Streichelzoo, sondern ein normales Café mit beweglichem Interieur zu sein, fühlt man sich schließlich verpflichtet etwas zu konsumieren. Das Chili kommt nicht in Frage, zu leicht lässt sich hier unbeliebtes Katzenfutter nachhaltig weiterverarbeiten. So fällt die Wahl auf ein einfaches Stück Kuchen. Doch so recht möchte es nicht schmecken. Man glaubt permanent ein Haar in seinem Mund zu spüren. Ich möchte jedoch nicht melodramatisch wirken und schlucke die Paranoia und Nahrung herunter. Kurz stelle ich mir vor, wie ich beim Verlassen des Tempels ein Büschel Haare hochwürge und auf den Bordstein spucke.

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Doch meine Gedanken werden durchkreuzt – von einer Katze. So einer echten, mit Fell und Schnurrbart. So einer, wie sie mir tagtäglich in meiner Nachbarschaft begegnet. Irre – ist das, was nun folgt. Allgemeines Kopfdrehen und Stühlerücken. Handykameras werden gezückt. Die ohnehin wenigen Gespräche verstummen. Eine Katze! Die gespannte Stille wird durchbrochen von den hysterischen Quietschgeräuschen einer asiatischen Dame am Nachbartisch, die die Verfolgung aufnimmt. Man selber möchte mit dem Kater flüchten. Ein zu einfacher Witz („Denkt die das ist hier Running Muschi?“) liegt mir auf der Zunge. Ich unterdrücke ihn und tue stattdessen etwas mir irgendwie logisch Erscheinendes. In die Stille hinein miaue ich. Scheinbar äußerst akzentfrei, denn Kater und Asiatin drehen sich ruckartig zu mir um. Und im nächsten Moment passiert das, was passieren musste: die Dame miaut und mauzt sich die Seele aus dem Leib und kriecht fotografierend zwischen den Stühlen umher. Ein schönes, menschliches Schauspiel.

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Und die Tiere? Die Katzen tuen das, was sie schon immer getan haben. Sie ignorieren Menschen. Dabei ist es egal, ob die Menschen ein Stück Kuchen essen oder ein Rad schlagen. Sie verstecken sich, schlafen oder putzen sich. Sie klettern selten, nämlich nur dann, wenn keiner hinsieht. Und sie spielen nicht mit den Federn und Püscheln, die ihnen die Kaffeehausbesucher vor die Pfoten halten. Sie steigen würdevoll wie eh und je über die Utensilien, die ihnen in den Weg gelegt werden und verschwinden in irgendeiner Paketkiste. Was sollen sie auch machen? Jeden Besucher mit einem Milk Tonic begrüßen? Zum gemeinsamen Selfie einladen? Oder eine kurzweilige Revue am Kratzbaum aufführen? Der „Katzentempel“ ist eben nicht Lalaland.

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Eigentlich ist es ja begrüßenswert, wenn die Tierliebe berufstätiger Großstädter nicht in in einem wenig tierliebenden Zoobesuch oder mit dem Kauf einer halbherzig gepflegten Hauskatze endet. Aber warum man sich dann nicht einfach mit einer Thermoskanne und einem Stück Butterkuchen ins nächste Tierheim begibt und seine Hilfe anbietet, bleibt wohl eines der vielen Rätsel des Großstadtdschungels.

Mit der Frage „Wer hat hier eigentlich wen beobachtet?“ im Kopf verlasse ich schließlich das „Menschencafé “ für Katzen. An der frischen Luft läuft ein Hund an mir vorbei. Er wedelt mit dem Schwanz, schnüffelt neugierig an meinem Hosenbein und blickt zu mir hinauf, als wolle er sagen: „Siehste. Hund sind eh die besseren Katzen.“

2 Gedanken zu „Ein Besuch im „Menschencafé “ für Katzen.

  1. Der erste Gedanke den ich beim Lesen hatte: „Das hat der Schellenaffe doch wohl nicht wirklich erlebt!?“ 🙄 Aber, als dann die Bilddokumente diese Geschichte als Tatsachenbericht belegten,überkam mich das kalte Grausen!!!! Wo leben wir ,dass es als hip und toll gilt seinen Kaffee mit Katzen in einem Café zu trinken!? Beschriebes Erlebnis lässt mich am Verstand und der Zurechnugsfähigkeit meiner Mitmenschen zweifeln. Vorallem der in den Großstädten!! Denn bei uns, im kleinen rheinischen Städtchen , nimmt man Katzen ,als in fremden Gärten streuende Haustiere war,die auch mal verscheucht werden müssen, damit sie nicht an die Grill Abdeckung pinkeln ! Basta! Arme Katzen…..Arme Menschen! Toller Beitrag! Auch wenn ich es,wie gesagt,kaum glauben konnte 😉!

  2. es gibt ja nichts, was es nicht gibt (der Satz ist auch logisch nicht angreifbar), und Katzentempel gibt es laut Internet auch noch in München und Nürnberg und dmnächst vielleicht auch in Frankfurt oder wo sonst sich Lizenznehmer finden. Bei den Benimmregeln für die menschlichen Gäste fehlt ggf. der Hinweis,
    nicht das Katzenklo zu benutzen …

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