[Feezbuk]. Was wie ein jiddisches Gericht klingt, ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Umwälzung. Einer unbemerkten sozialen Revolution: Die Generation jenseits der Millennials ist in den sozialen Medien angekommen. Unsere Eltern posten blühende Geranien auf Instagram, checken auf Feezbuk ein, schauen sich Basteltutorials auf Youtube an und schreiben Amazon-Bewertungen für Laubhäcksler. Ob sie tindern möchte ich einfach nicht wissen.
Sozial bedeutet „auf die menschliche Gemeinschaft bezogen, zu ihr gehörend“. Da ist es nur logisch, dass die größte Kohorte unserer Gesellschaft Teil dieses Austausches wird. Und sein muss. Aber muss es meine Mutter sein? Sie, hier? Eine kurze chronologische Bestandsaufnahme.
Die Generation unserer Eltern besaß zwar vor uns ein erstes Mobiltelefon. Die Geräte mit der Ästhetik einer Gegensprechanlage dienten jedoch ausschließlich dazu, Oma Bescheid zu geben, dass wir im Stau stehen. Und das zweite Kind in besagtem Stau mit dem Spielen von Snake ruhig zu stellen (das erste Kind wurde selbstredend mit dem Familien-Gameboy narkotisiert).
Diese Geräte, die Nummernreihen und keine Namen trugen, wurden selten gehört, oft vergessen, nie beherrscht. Und nie gemocht. Skeptisch wurde beäugt wie sich die nachfolgenden Generationen jedes Jahr ein neues Handy zum Geburtstag schenken ließen und sich synchron die chronische Rundrückenhaltung der Juniors zu verschlimmern schien. Computer wurden als bedrohlicher Schreibmaschinen-Ersatz betrachtet und per Ein-Finger-Such-Tipp-System auf Distanz gehalten.
Zur Erziehung der Erzieher verschenkte man selber schließlich iPads und Smartphones. Feierlich nahm Mama das Geschenk entgegen, mit den Worten „Das hat ja keine Tasten. Aber mit dem anderen kann ich doch auch telefonieren?“. Das Gerät wird zwar aus Höflichkeit installiert, aber weiterhin selten gehört, oft vergessen, nie beherrscht. Und nie gemocht.
So dachte die gebeugte Jugend. Bis zu jenem Tag.
„Der-Vorname-Deiner-Mutter Dein-Nachname hat dir eine Freundschaftsanfrage geschickt“.
Meine erste Reaktion: „Mama, ich muss deine Privatsphäreeinstellungen prüfen! Sofort!“ Doch Mutter hat wie unser Weihnachtsmenü auch diesen Coup von langer Hand geplant. Zu lange hat sich die Generation zwischen Rennrad und Rollator von einem wesentlichen Teil der Gesellschaft ausgeschlossen gefühlt. Der virtuellen Gesellschaft. Skepsis und Überforderung sind Neugier und Lernbereitschaft gewichen. Mutti hat eigenständig ein Profil erstellt (vielleicht wurde zunächst versucht bei einer Behörde eine Zulassung zu beantragen), einen schiefen Selfie hochgeladen, ihre Freunde gefunden – und sich schelmisch über die Panik in meiner Stimme gefreut.
Meine zweite Reaktion: „Oh Gott, was hab ich gepostet?“ Ach ne, ich poste ja eh nichts auf Facebook. Erleichterung. Sie schon. Ständig. Mama posted vor („Das nächste Reiseziel ist gebucht“), während („Tolle Scholle an der Ostsee gegessen“) und nach („Schon wieder ein Jahr her? Zeit für den nächsten Besuch“) jeder Reise. Dazwischen hält sie ihre Fangemeinde mit Gartenbildern, Kommentierung der Lokalzeitungsbeiträge und lustigen Tiervideos bei Laune. Ich staune und komme nur schwerlich mit dem Liken hinterher. Anstatt „Kind, zieh dich warm an“ fallen nun Sätze wie „Moment, ich muss noch ein Foto für Instagram machen“. Erst als sie ein Bikini-Foto von mir (“Wow ich wusste nicht, dass meine Tochter ein Sixpack hat“, Kommentar leicht verändert) postete, wurde es Zeit für eine kurze Intervention.
Doch davon unbeirrt wird weiter gepostet, geshared, geliked, was die Mobile-Daten-Verbindungen hergeben. Doch wie konnte es passieren, dass uns die Generation der rüstigen Silberrücken zu überholen scheint?
Zum einen der Faktor Zeit. Sind wir chronisch gestresst zwischen Beruf, Fortpflanzung und Badezimmer-Putzen sitzen Mutti und Vati im WLAN-versorgten Garten und finden Zeit und Begeisterung darin sich mit neuen Medien zu beschäftigen. Wir treten aus hyperaktiven Whatsapp-Gruppen aus und fantasieren von Digital-Detox-Ferien in der Eifel. Unsere Eltern freuen sich hingegen über jede Nachricht und Neuigkeit. Mutti hat eine 30-minütige Response-Rate – von 100%. Es wundert mich ohnehin, warum noch keiner auf die Idee gekommen ist, zeitkritisches Community Managemet an 50plus outzusourcen, anstatt schlecht bezahlte Werbeagenturlakaien damit zu beauftragen.
Anders als in den vertrauten klassischen Medien wird ihnen die Themenauswahl dabei nicht vorgegeben und die Interaktion auf einen sehr zeitversetzten Leserbrief beschränkt. Das „Alles. Jeder. Jederzeit.“ der neuen Medien beängstigt und berauscht sie zugleich.
Zum anderen kommt der Faktor „sozial“ hinzu. Unseren Eltern nutzen soziale Medien genau wofür sie erschaffen wurden: für sozialen Austausch. Nicht um Neid zu schüren, um die Dicke der eigenen Oberschenkel zu demonstrieren oder mittels Herzchen-Anzahl unter einem Post die eigene Wichtigkeit zu quantifizieren. Diese Generation verwendet keine Filter. Was soll der Quatsch? Das Leben ist auch so schön genug. Facebook, Whatsapp und Instagram werden tatsächlich genutzt, um Freundschaften zu pflegen, sich von anderen Menschen inspirieren zu lassen und um Anteil zu nehmen, an allem was jenseits der Geranienkübel passiert. Ehrlich. Aufrichtig. Interessiert.
Anstatt also ihr Verhalten zu belächeln und beäugen, sollten wir nicht ungefiltert einsehen, dass wir der „alten“ Generation nicht gönnerhaft etwas beibringen, sondern dass wir voneinander lernen können? Eine Erkenntnis, die wir selten hören wollen, oft vergessen, nie beherrschen. Aber eigentlich mögen sollten.
Und wer weiß, vielleicht verhelfen unsere Eltern ohne unser Wissen bereits Studi-VZ zu einer Renaissance. Eine kleine Familien-Reunion in der Gruppe „Wenn ich alt bin, werde ich nur nörgeln. Das wird ein Spaß“ ist doch irgendwie ein erwärmender Gedanke und in der Tat ein Spaß.
Ein Gedanke zu „Feezbuk – Mama, Papa, was macht ihr denn hier?“
Nachdem ich diesen Artikel heute morgen gelesen habe,sind drei Dinge passiert .
1.War der Montag ein fröhlicher Wochen Beginn !
2. Habe ich meinen Namen auf dieser Seite anonymisiert (wobei, wer mich kennt weiß eh wer dahinter steht!
3. Fühle ich mich geehrter zu besagter Gruppe zu gehören „Mutti ,du hier?“ Denn ja, ich habe mich genau aus beschreiben Gründen in die Welt der sozialen Medien „eingearbeitet „und fühle mich darin sehr wohl. Werde weiterhin posten,liken und teilen……nur keine Geranien….die mag ich nämlich nicht!😉
Weiter so,lieber Schellenaffe! Freu mich schon auf nächsten Montag!