Herzlich Willkommen, treten Sie ein! Heute präsentieren wir Ihnen eine ganz besondere Vorstellung – die Privatpremiere des neusten Blockbuster von Starregisseur und Hauptdarsteller Du Alleine. Das cineastische Highlight wurde kürzlich in Cannes mit dem Goldenen Cortex in der Kategorie frauenaffines, emotionales Genrekino prämiert und überzeugt das zur Selbstkritik veranlagte Publikum im Sturm:
Kopfkino – eine Reise aus der Wirklichkeit.
Die mitunter verworrene Handlung dieses Meisterstücks wird Sie in den Bann ziehen: eine vornehmlich weibliche Hauptrolle irrt durch die Zeit. Die Handlung erscheint zunächst simpel, geradezu banal und alltäglich. Mahlzeiten, Meetings, Migräne.
Doch hören wir permanent eine unruhige Erzählerstimme aus dem Off – brillant gespielt von Mind Talk. Mind Talk kommentiert das gesamte Geschehen. Er ist immer da. Er deutet das Verhalten der Haupt- und Nebenfiguren („Die beiden bekommen ein Kind? Das heißt sie hatten…oh Gott.“) und baut eigene Kurzgeschichten in die Handlung ein („Er schaut mir auf den Mundwinkel – hab ich da noch Sauce? Oder hat er einen Silberblick? Oder möchte er mich küssen? Wie schön es wäre unseren Kindern einmal sagen zu können ‚Spaghetti Arrabiata hat Mami und Papi zusammengebracht‘ “).
Ruht die Hauptdarstellerin kommt Mind Talk so richtig in Fahrt. Er beginnt von Traumprinzen, Traumreisen und Traumkarrieren zu berichten. Sein Ideenreichtum scheint schier unendlich. Noch in der einen Szenen fiebrig fantasierend, erleben wir ihn im nächsten Moment bereits wieder zweifelnd und sorgenvoll. Kopfkino ist ein Karussell der Worte, Bilder und Emotionen.
Immerhin schweigt die Erzählerstimme in zwei Szenen und das Karusell scheint für einen Moment stehen zu bleiben: beim Biss in ein Nutellabrot (um danach umso vehementer mit einem Kurzreferat über die menschliche Kalorienbilanz wieder einzusteigen) und wenn Du Alleine betrunken ist. Sehr betrunken. Dann ist es still und man hört nur noch das wohlige Lallen der Hauptdarstellerin und beobachtet gebannt, wie sie in ein Gebüsch fällt.
Doch was macht die Faszination des Kopfkinos aus? Warum sind ihm so viele geradezu verfallen und campieren bereits in den gemütlichen Kinosesseln?
Warum machen wir uns Gedanken statt Abendbrot?
In unseren Gedanken stellen wir uns Dinge vor, interpretieren Unverständliches und konstruieren unsere eigenen Geschichten. Geschichten, die uns zu Tränen rühren, träumen lassen oder traurig stimmen. Wir erleben den eigenen Independence Day, den Untergang der Titanic oder Tatsächlich Liebe. Alles ist möglich dank der Kraft unserer Vorstellung. Ist die Realität diffus und mehrdeutig, schafft Kopfkino Klarheit in unseren scheppernden Köpfen.
Kopfkino vervollständigt die unvollständigen Sätze, die uns das Leben hinwirft.
Doch birgt das Genre eine Gefahr: während Reality TV eine public viewing Veranstaltung für jedermann ist, schauen wir Kopfkino alleine. Wir alleine definieren demnach den Übergang zwischen Wirklichkeit und Wünschen. Rein subjektiv ist dabei unser Skript. Die Abstufung zwischen Interpretation und Projektion ist dabei so verschwommen, wie das Kinoerlebnis eines Kurzsichtigen ohne Brille.
Seien Sie sich also gewahr: wenn sie den Kinosaal verlassen – und das müssen Sie irgendwann, denn von Popcorn und Leinwandlicht kann ja keiner existieren – werden Sie Ihr Leben mit anderen Augen ansehen. Die anderen schauen Sie und Ihre mit Sauce verschmierten Mundwinkel jedoch immer noch mit den gleichen, angewiderten Blicken an.
Angewidert? Mind Talk würde jetzt sagen: amüsiert!
Ein Gedanke zu „Heute mache ich mir kein Abendbrot, heute mache ich mir Gedanken.“
Was für eine wunderbare Sicht auf mein privates Kino in meinem Kopf! Wie heißt es doch so passend: Die Gedanken sind frei! Auch die meines Mind Talk !
Bei mir schweigt er übrigens beim Singen. Ich mag nämlich keine Nutella 😉