Ein schöner Sommerabend. Ich sitze in einem guten Restaurant und unterhalte mich angeregt mit meinem Gegenüber. Plötzlich betritt eine junge Frau die Außenterrasse. Sie hat etwas Gehetztes an sich. Suchend schweift ihr Blick über die Tische und Gäste hinweg. Mein Blick wandert zu ihren Füßen. Sie trägt blau-weiß gestreifte Badelatschen an den fein pedikürten Füßen. Ich denke: ach die Arme hat sich beim Müll runtertragen wohl ausgeschlossen. Doch macht sie keinerlei Anstalten, um einen Telefonanschluss zu bitten. Stattdessen setzt sie sich zu einer Gruppe und bestellt eine Minz-Rhabarber-Schorle.
So langsam wie die Wassertropfen an meinem Glas herunterlaufen, so gemächlich beginne ich zu begreifen: die Adilette ist salonfähig geworden.
Doch warum bin ich eigentlich überrascht? Als Sommer-Edition des omnipräsenten Sneaker bietet die Adilette schließlich Max Air auch für die ausscherendsten Spreizzehen – ohne auf das vertraute Quietschgeräusch verzichten zu müssen. Die Adilette scheint nicht mehr nur eine Gummischlappe für das Gruppenduscherlebnis im Sportverein zu sein. Sie ist zum Superstar aufgestiegen und präsentiert sich in bunten Streifenkombinationen, mit Püschelchen oder Goldverzierung. Sie schlurft durch die Saunalandschaft ebenso wie über renommierte Laufstege und Flure der Oberstufenklasse. Der gummigewordene Super Gau! Der Kunststoff, aus dem lunar epic Träume gemacht sind.
Ist es tatsächlich so, dass wir unser gesamtes Leben auf Gummisohlen verbringen? Sind elegante Lederschuhe, Pumps und Sandalen – ohne uns – über den Jordan gegangen? Waren Turnschuhe nicht eigentlich ausschließlich als Messgrad pubertärer Coolness vorgesehen? Als wären wir für immer juvenate, tragen wir mittlerweile Sneaker in allen Altersklassen und Lebenslagen: egal ob wir dem Presto in der Elbphilharmonie lauschen, uns beim Vorstellungsgespräch als Allstar unter den Bewerbern verkaufen oder uns wie ein brünftiger Reebok in der Bar an die willigen Weibchen heranquietschen, ohne Gummi geht nichts. Ob New York, Neu-Delhi oder Neu-Brandenburg – das Phänomen Sneaker ist eines, das alle Etnies zu überspannen scheint.
Der Übergang vom Sportgerät „Turnschuh“ hin zur Stilikone „Sneaker“ ist dabei flyknit. Vom Stepper in die S-Bahn sneakt sich der latschige Treter. Der rasante Aufstieg scheint dabei leicht zu erklären: man läuft zwar nicht wie Gazelle oder Puma, aber Mensch die Dinger sind einfach bequem. Waren Schuhe früher wie eine Zugfahrt durch Indien in der billigsten Klasse – gequetscht und übelriechend – sind sie heute menschenfreundlich. Adieu Blasenpflaster! Und wenn einem dann vielleicht noch Heidi und Guido Maria Whatshisname bestätigten, dass unsere dreckig bunte Schuhtracht der letzte quietschende Schrei und Ausdruck eines besonders distinguierten Styles ist, lehnen wir uns zufrieden in unserem Fußbett zurück.
Doch wo hört der Schnürsenkel auf? Bei Brautausstattern, Regierungsansprachen oder buddhistischen Mönchen? Während ich mich frage, ob wir vielleicht eine New Balance finden sollten, beobachte ich wie die Kellnerin die Getränke bringt. Dabei schwappt etwas Schorle ausgerechnet auf den nackten belatschten Fuß. Die Dame zum Fuß bleibt so stoisch wie Chuck Noris, greift nach der Wasserflasche ihrer Sitznachbarin und kippt sich einen großen Schluck Sprudel auf die klebrigen Zehen. Flux sauber.
Sehr original.
(P.S.: Vielen Dank für alle eure Bilder von Füßen und überraschend schönen Bodenbelägen – sag noch mal einer Deutschland wäre kein hilfsbereites, schönes Pflaster.)
2 Gedanken zu „Zum Quietschen – über den Vormarsch der Adilette und den Salonschuh Sneaker.“
Ich muss zu meiner Schande gestehen (ich gehöre schließlich zur Generation:Du hier?) auch in meinem überfüllten Schuhregal (en) stehen diese oben erwähnten Allroundtalente!😉 . Sie sind einfach herrlich bequem und mit Gold verziert auch “ Elbphi“ tauglich. Darin kann man eben, ohne Blasen zu bekommen, vor dem Konzertbesuche noch stundenlang in der schönen Umgebung selbigen Musentempels spazieren gehen und sieht doch nicht aus wie ein Wanderer am falschen Ort! Ich spreche da aus reichlicher Erfahrung 😁
Nääää….und da hat man als Mutter dafür gesorgt,dass die Kinder“Markenschuhe“tragen….Die Füße sollen gut gedeihen. Und nun Adilette???? armes Deutschland!