Alkohol, Nikotin, harte Drogen, Internet, Glücksspiel – das Verlangen danach kann in eine unkontrollierte Begierde umschlagen. Eine Sucht, die abhängig macht von einem bestimmten Rauschstoff, wird immer schwerer zu befriedigen, zu kontrollieren und führt nicht selten zum gesellschaftlichen Ausschluss und gesundheitlichen Problemen. Institutionelle und medizinische Hilfe ist jedoch in der Regel da, um den freien Fall abzufangen.
Doch gibt es parallel hierzu eine dunkle, verlorene Welt an mannigfaltigen, absurden Suchtopfern, die in keine Kategorie, Therapie und Statistik passen. Zu Recht werden diese Opfer belächelt, missachtet und ignoriert. Zu banal ist ihr Leiden, zu irrelevant die Folgen ihrer Sucht, zu albern ihr Rausch. Man denke an Serienjunkies, Redbulltrinker und Noppenfolienfetischisten.
Einer dieser unerkannten Verlierer ist der Snoozer, auch bekannt als Schlummerer.
Symptome.
Der Snoozer ist abhängig von der toxischen Schlummerfunktion seines synthetischen Weckers. Er berauscht sich allmorgendlich an der Weiterschlaftaste seines Handy- oder digitalen Weckers. Das verhängnisvolle an dieser komatösen Suchtform ist seine Regelmäßigkeit. Der Snoozer snoozed an jedem Wochentag. Bilden bei mittelschwer Betroffenen noch Tage, an denen Fernreisen, mündliche Prüfungen oder eigene Geburtstage vorgesehen sind, die Ausnahme, konsumieren Starksnoozer ihre Droge in unerbittlicher Regelmäßigkeit.
Der tägliche Rausch wird in der Regel am Vorabend mit der Programmierung des Weckers vorbereitet. Es beginnt zunächst mit einer einfachen Berechnung: „Ich sollte morgen um 9 Uhr im Büro sein. Mit Frühstücken und Duschen sollte ich um 8 Uhr aufstehen.“ Schlussfolgern suchtfreie, des 1×1 fähige Menschen daraus, dass sie ihren Weckapparat auf 8 Uhr einstellen müssen, beginnt beim Snoozer eine eigene Zeitenrechnung. „Ich stelle den Wecker auf 7:33. Dann kann ich dreimal snoozen und muss nicht direkt aufstehen.“
Bei den meisten Snooze-Apparaten ist eine 9-minütige Schlummerzeit fest voreingestellt. Während der Suchtneuling zunächst lediglich einen Wecker stellt und diesen zwei bis zwölf mal durch Drücken der Schlummertaste wiedererschallen lässt, gehen erfahrene Snoozer deutlich perfider vor. Stark abhängige Schlummerer umgehen die Dosierungsvorgabe und programmieren eine eigene Symphonie aus ca. zwei bis neun Weckern, die einer genau abgestimmter Taktung folgend im Minuten-Rhythmus einsetzen. Üblicherweise unterscheiden sich die Wecktöne in ihrer Dramaturgie. Je früher, desto lieblicher. Je später, desto schriller. Die Anzahl der Wecktöne steigt also exponentiell an. Die sich wiederholenden, lieblichen Sirenen des Anfangs werden durch immer mehr schrille Stimmen ergänzt. Kurz vor dem Höhepunkt drückt der Snoozer quasi im Viervierteltakt auf die Schlummertaste. Das große Finale bildet sodann in der Regel der Backup-Wecker: eine alte Telefonklingel, die suchtkranke Knochen durchfährt und zu unmittelbarer Schnappatmung und Öffnung der Augenlider führt.
Verlauf.
Entsprechend vorbereitet beginnt am nächsten Morgen schließlich mit dem ersten sanften Weckklingelton das Sucht- und Rauscherlebnis. Mit geschlossenen Augen und verschlossenem Geist wird der erste Misston komplett unterbewusst durch Betätigung der Schlummertaste pausiert. Neuerkrankte suchen mitunter versehentlich im Gesicht ihres Bettnachbarn nach der Schlummertaste (und wundern sich über das Ertönen eines zusätzlichen Warnsignals). Erfahrene Snoozer zeichnet hingegen eine aus der Mikrorobotik bekannte Präzision aus. Lediglich ein Softwareupdate, im Zuge dessen der Schlummerbutton pixelweise replatziert wird, vermag sie aus dem Takt zu bringen.
Je nach Suchtlevel wird dieser Schritt dann beim Einsetzen des nächsten Weckers oder Repetition des ersten Wecktones wiederholt. Es folgt ein nahezu bewusstloser Rausch des Dösen, Klingeln, Dösen, Klingeln…irgendwann erreicht der Snoozer schliesslich ein Level mittelklarer Gedankenfähigkeit. An dieser Stelle setzt seine fatale Rechenlogik und eigene Zeitrechnung erneut ein: „Ich hole mir einfach ein Brötchen beim Bäcker…ich dusche ohne Haare zu waschen…es ist nicht schlimm, wenn ich viertel nach neun am Schreibtisch sitze…halb zehn ist auch in Ordnung…eigentlich muss ich gar nicht zur Arbeit. Ich öffne nur kurz meine Augen, um meine Kündigung zu verfassen…gleich…“
Das markante Schrillen des Backup-Weckers führt schließlich zu einem katapultartigen Erwachungsschock. Dieser Höhepunkt des Snoozeerlebnisses zeichnet sich durch Herzrasen, weit geöffnete Pupillen und Panikattacken aus – wird jedoch direkt gefolgt von einem Komplettverlust jeder Körperspannung. Der Snoozer kippt in einer seitlichen Wälzbewegung wie ein Betrunkener in der U-Bahn von seiner gepolsterten Unterlage und landet auf dem harten, kalten Boden. Er torkelt anschließend in die Nassstätte seiner Behausung. Manchmal verläuft er sich und sucht vergeblich in seiner Küche nach einer Zahnbürste. Kognitive Störungen und Orientierungslosigkeit sind eine der vielen Folgen des Snoozens.
Ursachen und Verbreitung.
Zur Verbreitung der Snoozomanie gibt es wenige Statistiken, es lässt sich jedoch vermuten, dass es sich hierbei um eine weitverbreitete, schlummernde Gefahr handelt. Die Indikatoren sind eindeutig und die Ursachen vielfältig. Flexible Arbeitszeitmodelle, Coffee to go, die Beliebtheit unrasierter Männerwangen und Trockenshampoo befeuern die Verbreitung dieser besonders schweren Form des Schlafmissbrauches. Akut suchtfördernde Faktoren sind zudem an die Fensterscheibe prasselnder Nieselregen, schlecht vorbereitete Meetings und noch schlechter beheizte Zimmer.
Diagnose und Therapie
Die Diagnose ist einfach: stellen Sie sich jeden Morgen mehr als nur einen Wecker sind Sie Risikopatient. Das Risiko erhöht sich, wenn Sie sich die genannten Wecker auf ungerade Uhrzeiten stellen. Stehen Sie später als eine halbe Stunde nach Erklingen des ersten Wecktons auf sind Sie Snoozer. Sie müssen jedoch nicht in Panik oder Sekundenschlaf verfallen. Heilung ist nicht nur möglich, sondern unausweichlich. Die Therapie ist simpel, jedoch langwierig. Es gibt ein durchschlagendes Therapeutikum, das noch alle Snoozer von ihrer Sucht befreit hat.
Das Renteneintrittsalter.
2 Gedanken zu „„Nur noch fünf Minuten“ – Snoozen, die schlummernde Gefahr“
Oh mein Gott!!! Ich habe meine Kinder in die Sucht getrieben! Denn ich war der erste „Snoozer Knopf“! Alle 5 Minuten kam ich in die Zimmer mit neuen Weckritualen um beim Finalen Weckruf nur noch durchs Haus zu brüllen um dann Leichen ähnliche Gestalten in die Bäder schleichen zu sehen. Selbst der Weg zur Bushaltestellen ,hatte noch nichts mit aufrechten Gang zu tun!!! Danach verlor ich die Elendsgestalten aus dem Auge……bis zum Abend waren sie fit und sehr munter….aber dann der nächste Morgen….!!! Hätte ich damals nur schon den Schellenaffe gehabt…😊! Ich hätte mein Verhalten geändert (aber wie?) Das fundamentale Wissen um diese schwere Suchterkrankung fehlte mir ,leider. Ich bitte meine Kinder im Nachhinein um Entschuldigung für mein suchtverstärkendes Verhalten 😉. Heute würde ich alles besser machen…Kein Schummeln bis die Hände taub werden, kein Rollenspiele mit Kuscheltieren, kein „gut ich fahr euch in die Schule „, …..!
Mit dem Wissen und dem Einblick in diese Sucht,welches mir der Schellenaffe heute vermittelt hat….verstehe ich meine Kinder im Nachhinein besser. Sie konnten nichts für ihr morgendlichen komatöses Verhalten! Sie waren einfach schon im Snozzermodus…….😊!
Und heute……Ich denke ganz kommt man aus dieser Sucht nicht mehr raus (übrigens auch als Rentner nicht). Man lernt nur, damit zu leben 😉.
Danke lieber Schellenaffe für mich war das wieder ein lehrreicher und fröhlicher Montag Morgen!!!!