Die größte Sehnsucht des modernen Primaten im hanseatischen Großstadtdschungel ist nach einer arbeitsreichen Woche voller gestresster Bananen doch eigentlich nur eines: Ruhe, Frieden und Entschleunigung. Und so sucht und findet er Entschleunigung- in einer Dornenhecke. In einem Kanu. Alltagsstress gebremst durch Gebüsch. Ein Erfahrungsbericht.
Hamburg ist ja mithin bekannt als „Sunny tropical Miami des Nordens“. Immer sonnenverwöhnt, nie verregnet, am Wasser gelegen erwartet dieses Juwel seine Besucher und Bewohner zwischen Elbe und Alster funkelnd und strahlend. Wie jede Stadt behauptet es von sich mehr Brücken als Venedig zu besitzen. Neben Autobahnbrücken gibt es in der Tat sehr viele Wasserläufe und Kanäle in diesem Mekka der Sonnenanbeter. Und so scheint sich die gesamte Stadt an einem der unzähligen sonnigen Tage auf dem Wasser paddelnd, „SUPend“ und schippernd zusammenzufinden. Ich beschließe mich dieser fließenden Bewegung anzuschließen und borge mir mal wieder ein Kanu und eine Freundin für eine mondäne Ausfahrt hoch zur See.
Den Staub des Winters abschüttelnd,wuchten, rollen und schieben wir das Boot zunächst ins Wasser. Bei dieser Trockenübung steigt und schwindet die Vorfreude zugleich. Wie soll man dieses schwergewichtige Monstrum nur navigieren? Optimistisch boarden wir unser Boot. Niemand fällt ins Wasser. Ein gutes Omen. Los geht die Fahrt. Vorne der Antrieb. Hinten der Lenker. Wir starten und gleiten mit einer sehr äußerst konstanten Geschwindigkeit wie ein dementer Torpedo – von einem Gebüsch ins nächste. Das eigene Fluchen wird begleitet vom Schnattern der Wildgänse. Für die Geschichte übrigens völlig irrelevant ist, an welcher Position ich mich befand.
Nach einer Distanz von 30m bzw. einer Wegstrecke von 3km ist es Zeit für die erste Pause. Ohne Geäst im Sichtfeld wird der Blick frei für die Welt um uns herum. Tretboote, Kajaks, Segelschiffe, Ausflugsdampfer, StandUp Paddler, Drachenboote – sie alle tummeln sich auf dem Wasser. Enten und Gänse ergänzen das Bild und verteidigen ihr Revier gegen Artgenossen und das Heer bedrohlicher Paddel. Als Kulisse dienen die verwaisten Gärten prekärer Wohnsiedlungen besonders einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen. Eine Veuve Clicquot Flasche dümpelt im trüben Wasser. Die Szenerie gleicht einem gefluteten Ameisenhaufen in ständiger Bewegung und ist doch vollkommen friedlich. Der Straßenlärm wirkt wie eine ferne Erinnerung. Geschwindigkeit wird relativ – relativ im Verhältnis zu allen anderen Bewegungen um einen herum. Regeln gibt es. Doch keiner kennt sie. Was zu Land ausgeschlossen scheint, wird zu Wasser möglich: man grüßt sich in Hamburg und wünscht sich ein schönes Leben (siehe: Moin Schätzelein- von Rheinländern, Hanseaten und Mexikanern).
Auf dem Wasser gibt es kein Ziel. Nur den Moment. Man lässt sich treiben. Wir nehmen dies weiterhin sehr wörtlich und bleiben unserem ziellosen Zickzackkurs treu. Ich muss an Hein Blöd denken. Bei jeder Brücke schauen wir uns stets beide Pfeiler von sehr Nahem an. Die Architektur ist durchaus anziehend. Als vor uns schließlich ein Kanu wie auf dem Teller drehend einparkt, wird die restliche Würde über Board geworfen und wir stellen den beiden rüstigen Kapitänen die unvermeidliche Frage: „Wie lenkt man eigentlich ein Kanu?“ Ich bilde mir ein, in diesem Moment das Lachen einer Gans zu hören und rupfe mir einen Ast aus dem Haar.
Doch die auf unsere Frage folgende kurze Einweisung zeigt Wirkung. Ungeachtet der Tatsache, dass die Alster weitläufig und brückenlos ist, werten wir es als Erfolg, bei ihrer Überquerung in keinen Brückenpfeiler gefahren oder in ein Gebüsch abgedriftet zu sein. Es sind Babyschritte, nein Babyschläge zum Erfolg (#unglücklichewortwahl). Wir trauen uns schließlich wieder in die schmalen Kanäle und Flussläufe. Wir folgen dem Geruch frisch gebackener Waffeln und tanken an einem nur über ein Fenster am Wasser zugänglichen Cafê. Der Anblick des Manövers ist beinahe grazil. Immerhin wird nichts verschüttet. Das Alsterwasser bleibt im Glas und außerhalb des Bootes.
Und so paddeln wir schließlich ziellos umher. Und kommen doch an. Wir genießen den ungewohnten Blick von unten nach oben auf die Stadt. Wir verlieren das Gefühl für Zeit und Distanz, bis uns die Dämmerung schließlich nach Hause ruft. Nur leise hören wir den Ruf. In unserem Kopf summen wir hingegen die Melodie von „Alles in Lot auf‘m Boot“ und denken an Hein Blöd. Was hat er doch für ein schönes Leben.
Ein Gedanke zu „Alles in Lot auf`m Boot.“
Dem spritzigen Erlebnisbericht,im Stil: „Mein schönstes Wochenende Erlebnis“ möchte ich nur ein /zwei Gedanken hinzufügen…..was dem Hamburger sein Boot ist,ist dem Rheinländer sein Fahrrad! Auch wir teilen uns die Wege mit vielen Gleichgesinnten und Tieren,vorallem Hunden und auch wir empfinden,wenn es dann soweit ist die Freiluftsaison zu eröffnen,unser schönes Rheintal als die Cote d’azur des Westens 😉. Und bei uns wird der Erfolg der Ersten überlebten Radtour der Saison mit einem kühlen Kölsch belohnt. So gesehen ist es herrlich wie ähnlich wir doch alle sind ,auch wenn hunderte von km zwischen Hamburg und Bonn liegen, im Herzen sind wir alle gleich…….wenn de Sonne schint ,müsse mer rus, mit alle Mann😉👍.
In diesem Sinne wünsche ich dem Schellenaffen ein schönes Frühjahr 😚