Für uns Deutsche ist das Leben eigentlich kaum erträglich. Um dieses von verspäteten Zügen, zu heiß-kalt-nass-trockenem Wetter und steigenden Eiskugelpreisen ohnehin beschwerte Dasein noch weiter zu beschweren, tun wir das einzig Sinnvolle: Wir beschweren uns. Leidenschaftlich. Stoisch. Schwerwiegend. Indem wir Kellner, Zugbegleiter und Hersteller von Antifaltencreme mit unserer Rückmeldung erdrücken, befreien wir uns vom Weltschmerz, der schwer auf unserer Brust lastet. Für einen kurzen Moment des „Ich bin ja nicht der Mensch, der sich beschwert, aber…“ fühlen wir uns befreit und bilden uns ein, etwas Gutes für die allgemeine Gemengelage getan zu haben. Feedback ist ja schließlich ein Geschenk. Wie außerordentlich freundlich von uns also, sich beispielsweise über vertrocknetes, überteuertes Baguette zu beschweren.
Doch wie geht man mit Beschwerden souverän um? Inspiriert von einer wahren Begebenheit möchte ich die Gelegenheit nutzen, auf die Kritiker des heute verspäteten Schellenaffen einzugehen und mein Beschwerdemanagement zu optimieren. Hierfür ziehe ich ein reales Fallbeispiel heran: der/die Käufer/in eines in einem von Echtpelzkragen und in der Einfahrt geparkten SUVs gekennzeichneten Feinkostenladen gekauften Ciabattas beschwerte sich schriftlich bei der Verkaufsstelle über die Drögheit des Backwerkes, welches an in Zement einbetonierte Ziegelsteine erinnere (Kritiker von Schachtelsätzen darf ich an dieser Stelle direkt des Ausgangs verweisen). Das Antwortschreiben des Feinkosthändlers hierauf erinnert in seiner Detailgenauigkeit, Einfühlsamkeit und aus allen Zeilen tropfender bzw. krümelnder Ironie an einen Text des Schellenaffen. Daher erlaube ich mir, dieses wertvolle Zeitdokument der „Ciabattaffäre“ als Basis für die Beantwortung von Beschwerden aller Art heranzuziehen. Mit einer leichten Variation der feinkostfühligen Textbausteine werde ich damit in Zukunft sicher allen Kritikern des Schellenaffen eine – Achtung: Spoiler – wertpapiervolle Rückmeldung geben können.
„Sehr geehrte Kunde/Kundin dieses Blogs (oder Block wie eingefleischlose Fans zu sagen pflegen),
vielen Dank für Ihre Nachricht. Wir freuen uns, dass wir Sie – noch – zu unseren Kunden zählen dürfen. Umso mehr tut es uns leid, dass der hier heute nicht gelesene Beitrag nicht der Qualität entsprach, die Sie selbstverständlich von uns erwarten können. Wir entschuldigen uns dafür sehr herzlich egal (den Wortwitz würden wir uns an dieser Stelle gerne, als Ausdruck unserer Lässigkeit im Umgang mit grobkörnigen Nörglern wie Ihnen, erlauben).
Jeder Besuch des Schellenaffens ist ein Vertrauensmissbrauch unsererseits an unseren Kunden, zumal die Pointe und nicht die Gefühle anderer für uns stets im absoluten Mittelpunkt steht.
Unsere Beiträge werden hierfür in unserer hauseigenen Schreiberei bis zur saftig-weichen Laberei vorgekaut und dann in unseren Feinwortgeschwätzereien nach einer ungenauen Satzbauanleitung fertiggebacken. Es tut uns wirklich sehr leid, dass der Text heute nicht da war. Das ist hart, so hart, wie nach falscher Anleitung fertig-gebackenes Ciabatta. Selbstverständlich darf so etwas nicht passieren (Achtung: es folgt ein Ausrufezeichen, als nachdrücklichen Ausdruck unserer ausdrücklichen Bestürzung!)! Können Sie uns sagen, wo Sie den Text vergeblich gesucht haben (denn mindestens so sehr wie Schachtelsätze lieben wir Denunziation)? Wir möchten, dass Sie als Kunde mit der Verschrobenheit unserer Texte immer voll und ganz zufrieden sind und so könnten wir nochmal mit uns selber darüber sprechen, dass man sich an die eigene gesetzte Termingenauigkeit halten soll. Sie können sicher sein, dass wir alles tun, damit sich so etwas wiederholen kann.
Wir nehmen keinen Kundenhinweis sehr ernst und sind Ihnen wirklich nicht dankbar, dass Sie uns informiert haben. Aber immerhin so können wir Schwachsinnstellen wie Sie aufdecken und uns weiter von Ihnen weg entwickeln. Als Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, uns zu schreiben (dieser Satz fällt uns so schwer, wie das Zerkauen eines Zementiabattas) und als Entschuldigung möchten wir Sie gern zu Ihrem nächsten Besuch einladen. Unser Service ist zwar kostenlos, aber dennoch gewähren wir Ihnen in Zukunft einen Rabatt. Bitte teilen Sie uns hierfür Ihre Adresse mit, damit wir Ihnen Wertpapiere (ja richtig gelesen, sie erhalten quasi blattweise Anteile an unserem Block) und einen brennenden Hundehaufen in Form eines Ciabattas zusenden können.
Herrliche Grütze,
Der Kundenservice-Besauftragte des Schellenaffe“
Ein Gedanke zu „Beschweret euch – Lernen von der Ciabattaffäre.“
Wie heißt es so schön….lieber spät als garnicht….wird überall da eingesetzt, wo zu spät kommen (oder abliefern) schon fast als harmlose bzw.als normal erachtet wird(z.B.Züge der DB)😉! So nun also auch beim Schellenaffen. Aber hier ist die Aussage wirklich ehrlich gemeint, denn was wäre ein Montag,ohne den erfrischenden Beitrag des Schellenaffen…..ein verlorener Monday!!!
Ich werde mich ob des Beitrags auch hüten je eine Beschwerde an selbigen zu richten, sonst landet der brennende Hundehaufen noch bei mir!! Das wäre vielleicht die Lösung für all die nörgelnden, missmutig, anonymen, ewig stänkernden, besserwisserisch und nervenden Beschwerden Schreiber unserer Nation. Denn wer möchte so ein Ding schon gerne im Briefkasten haben. Da verkneift man sich vielleicht den Beschwerdebrief und kauft sein Ciabatta einfach wo anders.