Dieser traurige Blick. Der Kopf hängt. Schlaff und müde steht sie da. Ein Anblick, der eines hinterlässt: das Gefühl von tiefer, nach Fäulnis schmeckender Schuld. Ich bin schuld an diesem Zustand, an dieser Entwicklung, an dieser Situation. Erneut.
Ich bin schuld an diesem nahenden Tod – einer Zimmerpflanze.
Schuld ist die Farbgebung meines Pollex. Schuld ist mein Daumen, der so braun ist, als habe er im Gesäß eines Holsteiner Braunviehs nach seinem Hausschlüssel gesucht. Gieße ich mit diesem Finger, verrecken pflanzliche Dinger. Pflanzen werden bei mir zu Überlebewesen. Sie leben bei mir in einem ewigen Kampf. Im Winter zu feucht. Im Sommer zu trocken. Wie die Äcker der Uckermark. Kräuter trockne ich bereits an den Pflanzen. Jeder Balkonbewuchs erinnert nach einem Sonnentag an die Wüste Gobi. Kakteen suizidieren sich bei mir. Sie erstechen sich. Selbst Salat verliert unter meiner Hege augenblicklich seinen letzten Überlebenswillen. Plastikpflanzen verlieren ihr Grün.
Ich betreibe unwissentlich ein Biokompostieranlage für selbstjustiziarische Zimmerpflanzen.
Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite. Außer wenn ich auf der anderen Seite stehe. Und Rasen mähe. Dann ist das Gras immer verstümmelter auf der anderen Seite.
Und so betrachte ich dschungelartige Wohnzimmer, in denen die Bewohner anscheinend nur geduldete Gäste sind. So bestaune ich Menschen bei der Gemüseernte auf ihrem Balkon. So bewundere ich blühende Gärten, in denen Bienen surren. Und frage mich: was ist das Geheimnis? Warum sprießt es überall, nur nicht im Schatten meines braunen Daumens? Sind meine Zureden und Gespräche zu trocken? Ist mein Wasser zu trübselig? Bin ich als Großstadtpflanze nicht feucht-fröhlich genug?
Doch dann fällt mir die einfache Antwort aus den Gartenschuppen in die Augen: Dünger. Manchmal sind die Antworten im Leben eben doch so einfacher, als das Umschreiben der eigenen Unfähigkeit mit blumigen Worten. Jauche!
2 Gedanken zu „Der braune Daumen.“
Wie heißt es so schön, die Hoffnung stirbt bekanntlich als letztes! So sollte der Schellenaffe weiter hoffen, dass es auch für ihn /sie eine Pflanze auf Erden gibt, die seine/ihre Pflege überlebt! Die Idee mit der Jauche ist nicht so gut! Dann werden nicht nur die Felder überdüngt sondern auch der heimische Balkon und die Geruchsbelästigung ist auch nicht von der Hand zu weisen 😉! Dann lieber eine Blumen/Pflanzen freie Zone in Kauf nehmen und dass Grün auf der anderen Seite neidlos bewundern! Mann/Frau muss auch jönne könne!😊
…manchmal reicht auch einfach ein bisschen Wasser…