Männer, die tanzen und Konfetti werfen. Männer, die sich in den Armen liegen und farbenfrohe Kleidung tragen. Männer, die weinen und sich gegenseitig Trost spenden. Männer, die andere Männer begehren und verehren.
Was nach einer spritzigen Salve schwuler Vorurteile aus der Klischeekanone oder einem romantischen Nachmittag auf dem Christopher Street Day klingt, beschreibt vielmehr einen vorrangig heterosexuellen Fetisch engagierter Männer jeden Alters, jeder Herkunft, jeder Einkommensteuerklasse. Es geht um Ecken und Kanten und irgendwas Rundes. Was nicht immer rund läuft. Es geht um tiefe Liebe und brodelnden Hass. Es geht um die zweitschönste Nebensache der Welt: Fußball. Es geht um den Sportgottesdienst am Wochenende: den Stadionbesuch.
Jeder hat einen. Diesen Verein, den er mag und jeder Arbeitskollege hasst. Um ihm zu huldigen, diesem Verein, pilgern sie jedes Wochenende zu Hunderttausenden an die grüngedeckten Altäre. Sie rotten sich in Prozessionen zusammen, lange vor dem Anpfiff stehen sie bereits in Gruppen beisammen und beten für einen Sieg ihrer Ordensbrüder. Der Messwein sprudelt in Massen und beschwingten Schrittes betritt man die heiligen Hallen. Es wird noch schnell eine Bratwurst in Bier gelegt und dann beginnt das Spektakel. Halbgötter in Schweiß treten irgendwas Rundes und Mann ist angekommen. Mit sich und den Seinen im Reinen. Die Gespräche verstummen. Stattdessen schreit, singt oder pfeift man ab und zu. Man lässt den Emotionen freien Lauf – auf das Tor. Manchmal sprudelt das Glück. Manchmal sind Hopfen und Malz verloren oder einfach nur verschüttet. Neunzig Minuten herrscht anarchischer Frieden.
Doch warum sind Fußballstadien einer dieser wenigen Orte, an denen sich vor Herrentoiletten lange Schlangen bilden, während die Damentoiletten an Kreuzfahrtkabinen auf einem untergehenden Boot erinnern? Warum sind Fußballstadien Männersache, wenn doch sonst so vieles „brüstiert“ wird? Eine vielleicht doch eher bananenflankige als steilpassgenaue These: Weil es beim Fußball um den Fußball geht und keine anderen Nebensächlichkeiten. Suchen sich Frauen gerne gemeinschaftliche Hobbys, bei denen man noch möglichst viel reden kann (frau trifft sich zum Stricken, Shoppen oder Nordic Talking), so ist in einem Stadion kein Platz für intime Gespräche. Man spricht nicht über die unglückliche Ehe, wenn jemand „Schieß doch!“ hinter einem schreit – oder über die Diagnose „grauer Star“, wenn jemand die Lebenskrise mit „Bist du blind, oder was?“ kommentiert. In einen Sack aus zwielichtig gefärbtem Polyester gekleidet werden Äußerlichkeiten egal. Man lässt den Emotionen freien Lauf, ohne über Emotionen sprechen zu müssen. Im Lärm eines Stadions lässt es sich wunderbar schweigen. Es geht darum, einfach mal die Pässe zu halten.
Die andere, etwas frigidere These wäre: im Stadion zieht es ganz schön.
Ein Gedanke zu „Zum Schießen.“
Nene !!! Alles gut beobachtet und trefflich beschrieben! Wahrheiten über den Besuch/Besucher eines Fußballstadion auf’s schönste erzählt! Und doch stimmt was nicht! 😉😊
Auch wir, dass schwache Geschlecht gehen voller Leidenschaft zu unserem Verein! Schreien beglückt wenn ein Tor fällt, weinen in den Armen fremder Männer wenn die Niederlagen droht, singen/grölen Lieder die uns sonst nie über die Lippen kämen, trinken Bier, dass wir eigentlich nicht mögen, fachsimpeln über Dinge, die wir doch gar nicht verstehen, lieben die 11Männer in unseren Farben, die wir natürlich selber tragen!!! Fußball bringt uns dazu alles andere eben mal zu vergessen……für 90 Minuten plus „Vorglühzeit“!😊 Ich spreche da aus Erfahrung!!!!