Meine Oma war ein weit gereister, belesener und toleranter Mensch. Sie widmete den Großteil ihres Daseins anderen und vererbte ihren Humor und ihre positive Sicht auf das Leben. Sie erzählte gerne Witze, am liebsten über sich selbst. Diese meine Oma sagte das Wort „Neger“. Sie sagte es in der Öffentlichkeit und Zuhause. Beiläufig wie das Wort „Fahrkarte“ baute sie es in Gespräche über ihre Vergangenheit oder ihren Alltag ein. Sie dachte sich nichts dabei. Wies man sie darauf hin, dass man das nicht sagen dürfe, fragte sie, warum das nach all den Jahren nicht mehr erlaubt sei? Als neunmalkluger Enkel gingen einem dann schnell die Argumente aus und man knabberte unsicher an seinem Schokoladen-Schaumkuss mit Fettglasur.
Meine Oma, die mir jeden Abend liebevoll einen Apfel in Stückchen schnitt und mich Fußball in ihrer Wohnung spielen ließ, ist eine Befürworterin der Sklaverei und Diskriminierung dunkelhäutiger Menschen – zumindest wenn man den öffentlichen Debatten Glauben schenkt. Nur Rassisten oder ungebildete Menschen, die sich einen feuchten Schaumkuss um die Vergangenheit scheren, verwenden das N-Wort. Klarer Fall.
Doch so klar das Urteil vornehmlich weißer Eliten, so schwer empfinden es viele, den Überblick zu behalten, welche Worte erlaubt und welche verdorben sind, wie die Packung Milch aus der letzten Jahreszeit. Wie soll man Menschen, die ohne zu erröten durchs Leben kommen (um es mal umständlich zu umschreiben), denn nun nennen? Schwarz, farbig, dunkelhäutig, maximalpigmentiert? Und wie um Gottes/Göttinnen willen nicht? Neger oder Mohr? Oder sollte man eh nur über Haarfarben (und – zustände) sprechen, aber nicht über Hautfarben? Meine Oma verwendete das Wort Neger, weil sie nach 91 Jahren keinen Grund darin sah, ihre Sprache zu ändern. Schnell trifft man die Annahme, dass sie, weil sie das Wort nie abänderte, ihre Einstellung andersfarbigen Menschen gegenüber überkommen sein könnte. Doch anstatt sich in Debatten um einzelne Worte zu verlieren, könnte man eigentlich auch auf die vom Verwender beabsichtige Intention hinter den Worten schauen – anstatt pauschal alle Fans von Mohrenköpfen und Negerküssen ein schikanierendes Wesen zu unterstellen. Sind „Dickmänner“ dann nicht eh die nächste Stufe der diskriminierenden Wortwahl? Warum wird Männern mehr Dicke zugetraut als Frauen? Müsste es nicht sogar „Dickwesen m/w/n“ oder „vom Body Mass Index herausgeforderte Personen“ heißen? So wird Wortwahl schnell zur Wortqual. Wenn man liest, dass als neuestes Wortopfer der Begriff „exotisch“ in Verruf gerät, fragt man sich, ob man bald nicht mehr von „Drogeriemärkten“ (vermitteln einen lockeren Umgang mit Suchtmitteln) und „Kindergärten“ (suggeriert, man würde Kinder anpflanzen oder alleine im Garten leben lassen) sprechen darf.
In den Diskussionen um politisch korrekte Sprache geht es primär um die Wirkung der Sprache. Um den Empfänger der Sprache. Die Sicht des Senders, sei er eine friedfertige, alte Frau, die den Diskussionen nicht mehr folgen kann oder will, wird gerne vergessen. Dass es aber einen riesendickmanngroßen Graben zwischen dem, was ich sage und dem, was ich meine, geben kann, wird jeder Paartherapeut bestätigen. Oder es wird gerne allen Sendern die gleiche Intention unterstellt. Verwendet ein AfD-Politiker Begriffe wie „Volk“ und „Neger“, sagt und meint er etwas Bestimmtes. Er möchte vermutlich bewusste Verbindungen zur Vergangenheit schaffen, provozieren oder einfach nur seinen braunen Hirnfürzen Erleichterung verschaffen. Meine Großmutter hingegen nicht.
Doch gleichzeitig stellt sich die Frage, ob wir, wenn man jedem erlaubt, alles zu sagen – er meint es ja nicht so – abdriften in eine verrohende Gesellschaft ohne Bezug zu Vergangenem und klaren Grenzen. Was tut so weh daran, ein Gendersternchen zu setzen, um den Raum für bewusste und unbewusste Diskriminierung sternchenweise zu verkleinern? Wenn man eben nicht mehr nur von dem „Arzt“ redet, zeichnen vielleicht mehr Kinder das Bild einer Ärztin in ihr Malbuch oder in das Traumbuch ihrer eigenen Zukunft. Schaden kann es nicht.
Wie so oft gibt es nicht nur schwarz oder weiß. Die Mitte ist vermutlich auch hier das Maß der Dinge. So wie ein Sternchen niemandem weh tut, so sollte auch ein fehlendes Sternchen nicht jedes Mal als eine Verletzung empfunden werden. Man sollte sich vielleicht einfach öfters einen herzlichen Kuss geben. Und Schaum über den Neger wachsen lassen.
2 Gedanken zu „Maximalpigmentierte Schaumküsse and Mohr.“
Sprache ist und war schon immer das beste und uns vom Tier unterscheidende (Ich weiß auch Tiere haben ihre „Sprache „,aber ohne Worte) Mittel um mit unseren Mitmenschen in Kontakt zu treten. Sprache ist Musik in Worten, denn jeder hat seine eigene Melodie! Sprache ist Waffe und fügt, falsch benutz, zu Verletzungen und Sprache gibt uns Macht, Massen zu bewegen. Aber sie wird vom Menschen gemacht, verändert, gelehrt, missbraucht oder für unvergessliche Erinnerungen benutzt….Und da liegt das Problem, wie bei Vielem! Der Mensch! Die Krönung der Schöpfung! (So sagt man) Alles was dieser Spezie unter oder in die Hände, den Mund, den Kopf gerät, kann sich fehlerhaft, missverständlich und falsch entwickeln! Oder zu, um beim Thema zu bleiben, grandiosen Texten, Büchern, Kommentare und Liedern werden. Darum ist es so wichtig, dass es so etwas wie den „Schellenaffen “ gibt, hinter dem ein Mensch steht ,der uns jeden Montag zeigt , wie es um uns, oder wie heute um unsere Sprache, steht. Und damit uns mal wieder anregt über UNSERE Sprache nachzudenken! 😉Freu mich ,wie immer, auf den nächsten Montag 😊!
die Oma kommt mir bekannt vor, und sie war auch bestimmt keine Rassistin; die grassierende Korrektheitstümelei in Sachen Sprache wirkt schon manchmal etwas grotesk; was die „Gendermanie“ betrifft, wäre es vielleicht besser sich mit falschem Verhalten oder Denken zu befassen statt sich an sprachlichen „Unkorrektheiten“ abzuarbeiten – was stört es den Mond, dass ihn Italiener und Franzosen für eine Frau halten, oder die Sonne, dass Italienerinnen und Französinnen sie zum Mann machen …