Man kennt das. Etwas Schlimmes passiert und Blumen und Kerzen werden niedergelegt. Der Spendenaufruf läuft. Eine Trauerfeier für die Opfer wird abgehalten. Irgendjemand hält eine Rede, in der er nach Worten und einem Schuldigen sucht. Alles als Ausdruck von Anteilnahme. Von Betroffenheit. Von Empathie. Für Affen. Für Affen aus dem Zoo: In Krefeld brennt das Affenhaus nieder und die menschlichen Affen trauern. Sie trauern, um die niedlichen Tiere, die sie ein Leben lang in wenigen Quadratmetern gefangen halten, um sie einmal im Jahr begaffen zu können. Wenn diese Kreaturen – sicher sehr qual- und grauenvoll – verbrennen, leidet man mit ihnen. Wenn sie in ihren Käfigen weiterleben, nicht. Mit Verlaub, das ist irgendwie affiges Verhalten. So affig, dass sich der Affe mit den Schellen gegen den Kopf hauen möchte und sich fragt: Ist es nicht eigentlich ebenso schlimm, in einem Käfig zu leben wie in ihm zu verbrennen?
Aber dieses affige Verhalten ist gleichzeitig nur menschlich. Zum einen suchen wir das Andersartige. Das Besondere interessiert und die Dramen faszinieren uns. Die Tausende von Affen, die in Zoos leben und sich vielleicht etwas anderes als ein All-Inclusive-Leben in der zugigen deutschen Provinz wünschen würden, sind banaler Alltag. Aber wenn 21 Affen verbrennen, weil irgendjemand seinen guten Neujahrswünschen einheizen musste, eher er sie gen Himmel steigen ließ, dann sind das schockierende Nachrichten und Bilder, die uns wirklich erreichen. Notre Dame muss erst lichterloh brennen, ehe Menschen beginnen, in Denkmalpflege zu investieren (Investitionen in Denk-mal-nach-Pflege scheinen ohnehin spärlich zu sein). Erst mussten unsere Sommer heiß werden und Freibäder der Wurstauslage an der Frischetheke zu ähneln beginnen, ehe uns diese ganze Sache mit dem Klimawandel zu dämmern begann. Wäre der Eisbär auf seiner immer kleiner werdenden Scholle auf der Elbe an uns vorbei getrieben, hätten wir vermutlich eher begonnen zu begreifen. Die Medien befeuern diese Nachfrage nur zu gerne mit glühenden, nachbarschaftlichen Bonmots.
Zum anderen fehlt uns, der Spezies, die sich neun Episoden Star Wars ausdenkt und Pizza-Scheren erfindet, mitunter die Vorstellungskraft für alles, was sich nur ein bisschen weiter entfernt von dem Käfig, in dem wir selbst leben, zuträgt. Wenn derzeit Hunderte von Affen und Millionen anderer Tiere in den unbekannten, fernen Wäldern Australiens verbrennen, dann ist das eben 16.000km weit entfernt von unserer alltäglichen Vorstellungskraft. Brennen Affen, die womöglich auch noch von deutschen Steuergeldern durchgefüttert werden, ist das greif- und damit vorstellbar. Uns fehlt Grips für so etwas, wie den Klimawandel (und dessen direkter Verbindung zu unserem alltäglichen Verhalten). Oder dafür, dass Dinge in fernen Ländern geschehen, die Menschen ihre Kinder alleine auf eine lebensgefährliche Fluchtreise schicken lassen. Dafür, wie es ist, in einem Zelt in Griechenland zu erfrieren. Griechenland kennen wir schließlich nur als warm und gastfreundlich. So schlimm kann das schon nicht sein da auf Lesbos, denkt sich der tapfere Pfadfinder in uns. Und das bisschen Buschbrände kann man ja wohl auch noch irgendwie löschen. Eine Fläche so groß wie Belgien ist ja wirklich überschaubar. Hier in unserem Land, in dem wir für Affen Häuser bauen, ist jedenfalls kein Platz mehr für fremdländische Menschen und ferne Dramen.
Zum neuen Jahr wünscht sich ausgerechnet der Schellenaffe daher vor allem eins: ein bisschen weniger Affenzirkus. Und etwas mehr menschliche Akrobatik.
13 Gedanken zu „Affenzirkus.“
Wir, die Krönung der Schöpfung, haben eben auch im 21 Jahrhundert einen eher begrenzten Horizont! Auch wenn uns durch Internet,Handy, Soziale Netzwerke und Globalisierung etwas anderes vorgegaukelt wird! Wir sehen eben nur das brennende Affenhaus vor der Tür und verdrängen dadurch lieber den brennenden Planeten. Der Affe um die Ecke ist uns einfach näher, als der Mensch von der anderen Seite des Mittelmeeres! Uns wird die mediale Informationsflut zu groß, da suchen wir uns lieber das raus was hier, im ach so tierlieben Deutschland ,unter den Nägeln brennt und wenn’s ein Affenhaus ist, das die wenigsten überhaupt kennen werden! Aber es ist hier und nicht in Australien, im Nahen Osten und an den vielen Brennpunkt unserer Zeit! Der Schellenaffe (der Affe liegt hier im Detail) ist da hilfreicher als manches Presseblatt,er rüttelte auf ,ohne das der Bildschirm brennt und es in unseren Köpfen noch heißer wird, eher so wie eine kühle, frisch, gut tuende Brise,die unser Gehirn wieder durchpusten und den Gedanken die richtige Richtung weißt! Einfach gut!😊
dass uns das Unglück „vor der eigenen Tür“ eher und mehr berührt als das weit entfernte, ist wohl normal und auch ganz in Ordnung – ein ernsteres Problem scheint mir die Überflutung mit Katastrophenmeldungen aller Art und die damit einhergehende Abstumpfung zu sein – wir können nicht den ganzen Tag mit Tränentuch oder geballter Faust rumlaufen; wie sollen wir angemessen auf das alles reagieren, z.B. jetzt gerade wieder auf die 6 zu Tode gerasten Touristen in Südtirol oder die Tausende Kriegstoten weltweit – ich weiß es nicht …