Fast jeder kennt ihn. Diesen einen Menschen in seinem Leben, der bestimmt, wann man morgens aufsteht. Wie lange man in Urlaub fährt. Wie viel Geld man ausgibt. Wie oft man seine Freunde sieht. Wie gestresst man im Alltag ist. Dieser eine Mensch, der bestimmt, wie glücklich man im Leben ist. Dieser Chef des eigenen Lebens ist häufig weder der Mensch, der einen morgens im Spiegel durch öffnungsgesperrte Augen anschaut oder der beim Zähneputzen am Hosenbein zupft und auf den Arm genommen werden möchte – dieser Chef ist der Chef auf der Arbeit.
Zumindest gefühlt – denn kaum eine Person beeinflusst so viele Eckpunkte unseres Lebens. Ohne sich mitunter überhaupt bewusst zu sein, dass er oder sie mehr Einfluss als ein Ehepartner haben kann. Doch viel wesentlicher als der Rahmen, den uns unser Vorgesetzter setzt, ist der Einfluss auf die „Farbenfreude“, die wir auf dieser in den Rahmen gespannten Leinwand zeichnen. Kaum jemand bestimmt so sehr, wie zufrieden wir an unserem Arbeitsplatz sind, der eben einen wesentlichen Teil des Platzes in unserem Leben einnimmt. Wie wohl, wertgeschätzt, gefordert und gefördert wir uns fühlen. Oder eben wie unwohl.
Hört man sich um, kann jeder dieses eine Lied singen. Diese gedankenschwere, manchmal erschöpfte, manchmal stinkwütende Melodie davon, wenn man sich von seinem Chef schlecht behandelt fühlt. Wenn Projekte im Chaos versinken. Wenn Arbeitszeiten sich ausdehnen wie Hosenbunde im Home Office. Wenn man vergeblich auf Anerkennung wartet. Wenn man Emails bekommt statt Antworten. Wenn man das Netto jeden Monats anschaut und sich fragt, was unterm Strich eigentlich übrig bleibt: Schmerzensgeld oder Entlohnung? Lohn oder Hohn? Studien belegen: die meisten kündigen nicht ihren Aufgaben, ihren Gehältern, ihren Kollegen, ihrem Kantinenfraß oder einem anonymen Arbeitgeber.
Die meisten Menschen kündigen ihrem Chef.
Personalwechsel ist teuer und mühselig. Wie kann man die Ursache für solche Verschwendung von Geld, Zeit und Leben unbemerkt geschehen lassen? Sollte man da nicht eine Art „Führerschein“ für Führungskräfte (ok, schwierige Wortwahl) ins Leben rufen, um Mindestansprüche an dem Umgang mit Menschen sicherzustellen? Wie kann diese geballte Inkompetenz existieren, die mehr als nur Einzelmeinungen verweichlichter Arbeitsverweigerer sind? So unterschiedlich die Gründe für den Frust am Chef auch sein mögen, ein Muster (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) lässt sich nicht von der Hand weisen. Ein Muster aus Krustenbildung und Wundenlecken.
Stellt man die Frage, wer in der Regel befördert wird, rufen vermutlich nur diejenigen „der Beste!!!“, die selber soeben befördert wurden. Das Gros wird eher so etwas sagen „derjenige, der sich als der Beste verkaufen kann“. Was nicht das Gleiche ist. Sich manchmal sogar widerspricht. Denn der eine ist der Beste im Lösen einer Aufgabe, der andere der Beste im an sich Reißen, Aufblasen, Ansabbern, Umverteilen, Ablagern und langsamen Verwesen einer Aufgabe. Der eine kann. Der andere will. Der eine denkt an Inhalte, der andere an Machterhalte. Zu oft kommt man mit Empathie und Fachkenntnissen weniger oder langsamer voran als mit Rhetorik und Machthunger. Und so bildet sich eine feste Kruste, aus Menschen, die Menschen befördern, die sind wie sie selbst (siehe auch Frauen und die Macht.): laute, schnelle und machthungrige Verkäufer und Netzwerker, die die Kunst beherrschen, sich ihrem Gegenüber jederzeit anzupassen. Der Bewerber wird freundlich umworben, der Mitarbeiter freundlich darauf hingewiesen, den Scheiss jetzt einfach zu machen und dem eigenen Chef wird eine problemfreie Welt präsentiert. Bloß kein Bremser oder Bedenkenträger sein. Lieber das Maximum aus den immer saurer werdenden „Vollzeitäquivalenten“ pressen. Das Motto der Kruste: nach oben stets hui, nach unten stetig pfui. Gut beim Chef statt ein guter Chef.
Und unter der Kruste? Da rottet sich – gerade in Deutschland – häufig eine sich selbst bejammernde Herde an Unternehmensbewohnern zusammen, die gerne anonym bleibt und sich ihre Wunden leckt. So hart das eigene Urteil über die Zustände auch ist, so weich sind ihre Worte. So hoch die Erwartungen an den Chef sind („So schwer kann das ja nicht sein“), so klein ist der Wille, diese auch klar zu artikulieren. Das bringt ja eh nichts, außer vielleicht ein Kündigungsschreiben. Er gab Feedback, und war dann weg. Wenn man nichts sagt, dann macht man auch nichts falsch. Aber eben auch nichts besser. So lebt man in seiner Welt der „die da oben sind schuld“ und versucht niemandem im Weg zu stehen. Aus Angst davor, seinen Job zu verlieren, den man eh schon lange nicht mehr mag. Oder aus Angst vor der Anstrengung, sich überlegen zu müssen, was man eigentlich (sagen) möchte. Man leckt sich lieber seine Wunden, heimlich, am Kaffeeautomaten, bis zur Rente. Wund gejammert.
Und so bewegen wir uns einer Welt, in der die einen nichts hören und die anderen nichts sagen wollen. Miteinander. Zueinander. In der die einen damit durchkommen und die anderen sie durchkommen lassen. Jeder Paartherapeut hätte seine pure Freude an der Dysfunktionalität dieser Beziehung. Sie sicherte ihm die Rente und den teuren Sommerurlaub.
Kann man Menschen wirklich ändern? Vermutlich nicht. Kann man ändern, wie Menschen miteinander kommunizieren? Vermutlich ja. Doch Kommunikation lebt eben davon, dass jemand etwas sagt und jemand anderes etwas hört. Und das muss nicht gleich ein „Ficken Sie sich“ sein. Man könnte es zunächst mit dem Kindergarten Basiswissen beginnen: was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu. Oder willst du, dass die anderen über dich reden statt mit dir? Dass jemand deine Sandburg als seine ausgibt? Dass dir keiner beim Puzzeln hilft, auch wenn du nicht weiterkommst? Dass sich jemand beim Schaukeln vordrängelt? Ne, das wäre ja Kindergarten. Totaler Kindergarten.
Vieles ist Chefsache, aber nicht alles in diesem Kindergarten.
2 Gedanken zu „Chefsache.“
Oje oje!!😏 Da hat’s dem Schellenaffen aber gerade ordentlich gereicht! Aber wo er/sie recht hat, hat er/sie recht! Jeder kennt dieses furchtbare Gefühl, dass einem das ,ach so kurze, Leben von so einem Chef (oder Chefin) total vermiest wird! Das morgentlicher Aufstehen wird zur endlos Qual, weil man sich vor der Begegnung mit diesem „Piep“ graut! Aber…..wie der Schellenaffe schon richtig erkannt hat ( und auch schon den richtigen Weg zur Änderung der Misere eingeschlagen hat) nix wird anders, wenn man es nicht ändert. Den Chef weg zu ekeln ist langwierig und frustrierend und vergeudet Energie! Diede sollte lieber für den Weg zu neuen Zielen genutzt werden. Doch bedenke wer sich neu bindet, (ach der Spruch ist auch für eine andere Lebenssituation gedacht😉) Chefs sind überall und oft kommt man vom Regen in die Traufe, besser gesagt ins starke Gewitter!! Also der Weg ins Leben ohne Chef ist ein langer und oft steiniger! Den oft zitierten Ausspruch dieser Zeit nutzend, ein Marathon kein Sprint! Darum haushalten ist angesagt! Mit der eigenen Energie, der Kreativität, der Innovation, der Begeisterung, den Engagement für seine Arbeit sollte man fortan nur für sein neu gestecktes Ziel aufwenden…..Der Selbständigkeit oder einem ganz neuen Arbeitsmodel !!!
Einen Weg finden ohne sich über Dinge (Chefs) die man nicht ändern kann aufzuregen, die Arbeit nur so erledigen wie es für dich zu vertreten ist, die eigenen Ansprüche an deine Arbeit relativieren! Die Wut,den Frust,die Enttäuschung, die Überforderung nicht in sein übriges Leben mitnehmen! Denn dann ist irgedwann nicht nur der Chef schei….
sondern alles! Und das ist kein Chef wert. Niemals!
Schellenaffe….du hast ja schon den richtigen Weg eingeschlagen ,das merken deine Leser jeden Montag!! Schreiben befreit….auch den Leser!😊
Chefsache ist nur das, was Sache des Chefs ist, und was das konkret ist, ergibt sich aus der Weisungsbefugnis des Vorgesetzten und der übertragenen Arbeitsaufgabe, dies müssen wir wohl oder übel akzeptieren, mehr aber nicht, und „alles andere ist primär“ (mit Rolf Miller zu sprechen) …