Nur Augen für dich.

Organspendeausweis Organspende

Wenn man so drüber nachdenkt, ist es wirklich ein Wunder. Da bewegt sich ein Muskel ein ganzes Leben lang ohne unser Zutun. Wir können noch so viel anspannen, die Luft anhalten, trainieren, Proteinshakes trinken oder darüber sinnieren, der Muskel verrichtet seine Arbeit von ganz alleine. Wir können ihn ein bisschen aus dem eingespielten Takt bringen, indem wir uns anstrengen oder ruhiger atmen. Aber bald findet der Muskel wieder seinen eigenen Arbeitsrhythmus. Und arbeitet vor sich hin. Bis er irgendwann nicht mehr kann. Irgendwann ist er müde von der vielen Arbeit. Erschöpft von seinem arbeitsreichen Leben.

Irgendwann stirbt unser Herz. Und wir mit ihm.

Wie ein Handy ohne Akku, sind wir ohne unser Herz ziemlich nutzlos. Keinen Schritt können wir gehen, keinen Atemzug mehr nehmen. Ein Glück, ein Wunder, dass wir uns gegenseitig haben. Doch das größere Wunder ist eigentlich, dass unser Herz nicht wirklich stirbt, wenn wir sterben. Dass es uns nicht wirklich braucht. Unser Herz kann auch in einer anderen Brust weiterarbeiten, weiterschlagen, weiterleben. Es ist quasi der Akku, der herstellerunabhängig funktioniert. Der Arbeitskollege, der bei allen Anschluss findet.

Doch bekommt dieses Wunderwesen nur sehr selten die Chance, sich ein zweites Mal, ein zweites Leben lang zu beweisen. Seinen Dienst jemand anderem anzubieten, in der Hoffnung, dass die beiden schon miteinander klar kommen werden. In Deutschland bekam 2019 344-mal ein Herz die Chance, die Verantwortung, für ein zweites Leben zu leben (Quelle: https://www.dso.de/organspende/statistiken-berichte/organspende).

Ob das viel oder wenig, gut oder schlecht, besser als nichts oder mehr als genug, immerhin etwas oder ein Fortschritt ist, sei dahin gestellt. Jeder hat seine persönlichen Gedanken und Körperreaktionen bei der Vorstellung, dass man „ausgeweidet“ wird, dass man am Ende jemandem noch mal einen ziemlich großen Gefallen tun kann oder dass man im Himmel dann plötzlich ohne Herz erwachen könnte. Die Frage, ob man selbst möchte, dass das eigene Herz, die strapazierte Leber, die strahlenden Augen länger leben sollen als man selbst, ist eine der persönlichsten Fragen, die man mit sich ausmachen kann. Nein, muss. Denn wenn ich mir darüber keine Gedanken mache, müssen es irgendwann Menschen für mich machen, Menschen, die mich ein Leben lang geliebt haben und es noch immer tun. In einem Moment größter Erschütterung, Trauer, Überforderung müssen sie die Fragen beantworten: Hätte sie/er das gewollt? Um diesen grauenvollen Konjunktiv aus diesen Sätzen zu nehmen, gibt es in unserem wunderbaren Land, das Kehrwochen und Nacktheit im Straßenverkehr (also im echten) reguliert, ein einfaches Mittel. Ein Stück Pappe im Portmonee, auf dem man „nein/ja/bitte nicht die Augen/die Leber hat Gebrauchsspuren“ ankreuzen kann. Und die Frage ist geklärt. Eindeutig.

Organspendeausweis Organspende

Dieses Ja-Nein tragen 39% unserer Bevölkerung mit sich herum (Quelle: https://www.organspende-info.de/zahlen-und-fakten/einstellungen-und-wissen.html). Der Rest trägt ein großes Fragezeichen auf seinen Schultern und Organen. Warum? Das Thema hat mit unserem Ende zu tun. Mit dem Sterben und unserer Endlichkeit. Über den Tod denkt man nun wirklich nicht gerne nach. Dieses kleine Detail ignoriert man gerne, als sei es nur ein gruseliges Gerücht, diese ganze Sache mit dem Sterben und so.

Dabei geht es beim Thema Organspende eigentlich genau um das Gegenteil vom Sterben: dem Tod ein Leben geben. Weiterleben ermöglichen. Weiterleben für einen Menschen, der geliebt wird, der Leben möchte und mit viel Glück weiterleben könnte. Dieser geliebte Mensch kann irgendwann der eigene Lieblingsmensch sein. Würde man da nicht verrückt werden, wenn man wüsste, dass viele Menschen vielleicht nichts gegen die Spende eines rettenden Organs gehabt hätten, aber einfach mit einem leeren Portmonee, mit einem Fragezeichen über dem Kopf gestorben sind?

Es stand zur Debatte, ob jeder automatisch ein „Ja“ bekommen soll, es sei denn, er widerspricht aktiv, um alle dazu zu bewegen, ihre Bedenken und Sorgen aktiv zu äußern anstatt die Unentschlossenheit und Bequemlichkeit sprechen zu lassen. Es kam anders (Widerspruchsregelung im Bundestag abgelehnt). Was bedeutet: solange man ihn noch bewegen kann, sollte man einfach seinen Hintern hoch kriegen und diesen Zettel ausfüllen, der deutlich einfacher zu „organ-isieren“ ist als die Erstattung eines Bahntickets. Das eigene Herz schlägt dabei vielleicht etwas schneller, aber beruhigt sich dann auch schnell wieder. Versprochen.

(Hier kann der Organspendeausweis beantragt oder selbst direkt ausgedruckt werden – am besten an die Lieblingsmenschen direkt weiterleiten: https://www.bzga.de/infomaterialien/organspende/ )

2 Gedanken zu „Nur Augen für dich.

  1. Diesmal und das ist allein schon bemerkenswert, kann ich mich einem Vorredner (Schreiber) nur anschließen! Ein wunderbarer Beitrag zu einem emotionalen Thema! Für den Spender aber erst recht für den Empänger! Denn der darf mit dem gespendeten Organ weiterleben besser leben oder sogar das Leben genießen! Also, ich habe so eine Karte im Portmonee! Gut zu wissen, nicht wahr ,lieber Schellenaffe!😉😘

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