1986 ist ein guter Jahrgang. Ein ganz feiner Tropfen. Nicht zuletzt dank leichter Spuren radioaktiver Durchseuchung strahlt dieser Jahrgang vor Optimismus und Brillianz. Gereift in einer Zeit des Überflusses, leichten Übergewichts und Überangebots an Videospielen und Spielkameraden bewegt er sich mit souveräner Selbstzweifelei und orientierungsloser Zielstrebigkeit durch dieses krisenerschütterte Paradies unseres modernen Lebens. Er tanzt auf den Trümmern gefallener Mauer und eingestürzter Hochhäuser. Reist durch wirkliche und virtuelle Welten gleichermaßen souverän. Und besucht Oma in Pinneberg an ihrem Geburtstag. Er hat Muffins mitgebracht, Oma hat Frankfurter Kranz gebacken. Oder so. War das doch das mit der Generation Y.
Ach, was Y-s ich denn.
Quälte man sich in der Schule noch mit dem Auswendiglernen irgendwelcher Epochen und ihrer epochalen Datumsgrenzen und Folklore, so befasst man sich heute anscheinend nur noch mit Mini-Ären: die Rede ist nicht von ganz, ganz kleinen Millionären sondern von Generationen. Sehr viel Gerede. Jedes X-beliebige Verhalten wird von B wie Baby Boomer bis Z wie Smartphone versucht, irgendeiner Alterskohorte zuzuschieben. Und mit jeder Eigenschaft schiebt sie sich weiter zu, die Schublade, in der wir alle stecken. Die eine Generation will nur, dass alles so bleibt wie es ist, die andere das WLAN-Passwort. Die nächste sucht den Sinn, die andere den Schlüssel zu ihrem inzwischen in die Jahre gekommenen Golf. Die eine raucht Gras seit exakt 52 Jahren, die andere pflegt den Rasen vor der verklinkerten Doppelhaushälfte. Die eine lebt mit einem Gartenzwerg in ihrer Schublade, die andere mit Online-Konzern-Riesen. Was sie in ihrer Schublade vereint, sind prägende Ereignisse, die ihr Leben in Bahnen lenkten, und statistische Ergebnisse, die ihr Leben beschreiben und in eine Schublade stopfen lässt. Kniefall, Mauerfall, Atomunfall. Irgendetwas passiert in einer Phase, in der wir schon denken und handeln, aber noch nicht immer gleich denken und handeln. Es hinterlässt einen gemeinsamen Fußabdruck im Gedächtnis einer Generation und bestimmt ihren weiteren Weg. Der eigene Weg ist individuell und doch sind die auf ihm gesetzten Wegweiser kollektiv.
So der Gedanke, der seit Generationen weitergeben wird. Ein Gedanke, der zu unserem immer wieder putzigen Bestreben passt, diese bunte, widersprüchliche, verdammt anstrengende Welt irgendwie zu begreifen und zu ordnen. Das Leben ist nun mal eines der härtesten. Da hilft man sich gerne dabei, indem man Oma und Enkel in sauber beschriftete und beschriebene Fächer stopft – um ohne viel Aufwand zu verstehen, warum Oma jedes Mal diese fettige, aufwändige Buttertorte backt, die wie Zement im Magen liegt, und warum das Enkelkind jedes Mal diese grotesken, in Papiertütchen steckenden Zementkugeln aus Schokolade mitbringt und das für einen Ausdruck von Wertschätzung hält. Doch was sagt unser Geburtstagsjahr am Ende wirklich über uns aus? Zementiert das Denken in Generationen am Ende nicht die Klischees, derer wir uns so gerne bedienen, wie die Generation X Statussymbole anhäuft und Generation Z Sprachnachrichten verschickt? Entstehen durch das Denken in Generationen nicht tiefe Gräben, über die wir dann wieder mühsam Brücken bauen? Die Baby Boomer haben den Klimawandel verpennt, aber wir schlafen einmal drüber und verzeihen ihnen großherzig, während wir im Flieger nach Bali dösen. Die Generation Z ist eben immer online, aber warum antworten sie nicht direkt auf meine Nachricht, obwohl ich die blauen Häckchen doch sehe, verdammt! Wer gewinnt damals und morgen bei diesem Alt gegen Jung? Bei diesem Schubladenkampf, bei dem am Ende nur alle einen an der Schachtel haben?
Jedem, der den Schellenaffen regelmäßig – bis ganz unten – liest, dürfte mindestens ein Babyboomer bekannt sein, der die sozialen Medien mehr liebt als die sozial konforme Balkonbepflanzung. Jeder, der den Schellenaffen regelmäßig – bis ganz unten – liest, dürfte mindestens eine kommunikative, mitteilsame, offene, interessierte Person der „Generation Silent“ kennen. Jeder, den Schellenaffen regelmäßig – bis ganz unten – liest, kennt mindestens einen Ypsiloner, der nicht bei Amazon angemeldet ist und trotzdem abends einschlafen kann. Und der morgens wieder aufwacht, in seiner zugigen, klapprigen Schublade, und davon träumt, in eine Kiste der Socken-Hasser, Bier-Kenner, Wäscheklammern-Verweigerer und Dackel-Liebhaber gesteckt zu werden. In diesem Verhalten irgendein Muster zu erkennen sei dann wohl den zukünftigen Generationen überlassen. Den Generationen Ä, Ö und Ü.
2 Gedanken zu „Schubladen voll Generationen.“
Hier finde ich mich wieder! In diesem Schellenaffe steckt viel von meinen Gedanken! Ich zähle mich gerne zu einer Generation, das gibt mir das Gefühl ich stehe nicht allein da mit all dem was seit meinen Geburtsjahr gut oder schief gelaufen ist! Nur gehöre ich nicht zu denen die Vergangenes glorifiziert und Jetzigen verteufelt und Zukünftiges beweinen ! Ich hoffe (und habe es auch schon erlebt), dass die Menschen in ihren jeweiligen Altersgruppen von einander lernen, sich durch ihre Mitmenschen ,egal zu welcher X Y Z Generation sie gehören,inspirieren lassen und das Beste daraus machen! Zum Wohle aller! Ich weiß was viele, die den Schellenaffen bis unten lesen, denken…..träum weiter, schau dich mal um, wie es mit diesem Wunsch aussieht! Aber, ich denke eben positiv und Dank des Schellenaffen auch voller Zuversicht, dass es doch auch sehr viele Menschen gibt denen, so wie mir, das Miteinander ,Füreinander Voneinander mehr Wert ist, als Gegeneinander und Vorwurfsvolle ,die „Anderen“ als die Schuldigen zu sehen! Für was auch immer!
Einen Schuldigen für Miseren auszumachen und dann entspannt weiter zu leben ohne Änderungen, bringt nix! Nur wer verändert ,was nicht gut war, kann sicher sein, den nachfolgenden Generationen ein gutes Beispiel zu sein! Ich war steht’s bemüht 😉das Leben so zu leben! Vorbild, Helfer, und Verbinder zwischen den Generationen! Tat gut und hat Spaß gemacht! Ich mache es weiter so…mit Zuversicht und Gelassenheit! Nun bin ich wieder am Ende! Hier beim Schellenaffen! 😊😉😘
zu der beschriebenen Schubladeritis passt auch irgendwie die Manie ständig historische Tage oder Momente auszumachen, fast täglich „schreibt“ jemand „Geschichte“ – mir tun schon jetzt die Historiker leid, die das alles mal sortieren sollen …