Die Welt steht auf dem Kopf. Und macht „ooohmmmmmm“ dabei. Wirklich. Klingt, als habe man einen Vogel? Den hat man. Mehr als einen sogar. Taube, Krähe, Kranich, was darf es sein? Oder lieber Hund in allen Varianten, Fische und Kamel? Was klingt wie die Speisefolge eines fernöstliches Schnellrestaurants, ist die Übungsfolge einer fernöstlichen Entschleunigungsform: Yoga.
Aber zunächst einmal einatmen. Und ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Das geht erst mal so eine Weile weiter. Um „anzukommen“ auf seiner Matte. Um anzukommen an dem Ort, an dem man sich eigentlich die ganze Zeit wähnte: im Hier und Jetzt. Aber schnell merkt man, dass man völlig regungslos zwischen Vergangenheit und Zukunft hin und her springt. Als würde man alle Folgen „Zurück in die Zukunft“ in fünffacher Geschwindigkeit gleichzeitig schauen. Das Einzige, was zu ruhen scheint, sind die Beine im Schneidersitz. Sie sind eingeschlafen. Um die Gedanken an Lähmungserscheinungen und den Geistestanz zu unterbrechen, fängt man an zu röcheln. Wie Darth Vader mit Krümel im Helm. Die Yoga-Lehrerin sagt den Namen dieser Atemtechnik. Irgendwas mit „ohwei“.
Mit einigen sanften Bewegungen beginnt man sodann seine Muskeln aufzuwärmen. Ehe man sich versieht, befindet man sich in etwas, was sich „herabschauender Hund“ nennt, aber eher den Namen „hinauffurzendes Schwein“ oder „untergehendes Selbstbewusstsein“ verdient. Mit dem Kopf über dem Abgrund baumelnd sucht man vergeblich nach Motorik und Gelenken. Das aufkommende Schwindelgefühl scheint immerhin das Kreisen der Gedanken zu unterbrechen.
Im Rhythmus der eigenen Atmung beginnt der Tanz der verkürzten Muskeln. Es folgen allgemein bekannte Bewegungsabfolgen, die sich „Sonnengruß“ nennen. Es grüßen primär allerdings die wieder schneller werdenden Gedanken und Atembewegungen, die man versucht zu kontrollieren. Links, rechts, hoch, runter, vor, zurück. Es gab und gibt noch immer Gründe, warum man nie in die Tanzschule gehen wollte. Schnell wünschte man, man sei wieder Kind. Also „im“ Kind, einer Position, die man wie kaum eine andere zu meistern weiß: als kleines Päckchen auf dem Boden liegend löst sich alles. Auch das „Völlegefühl“ im Bauch.
Aber jetzt hat die Frau da auch noch „Schambein“ gesagt? Ohwei. Schlimm genug, dass die Yoga-Lehrerin überhaupt sprechen kann, aber warum muss sie auch noch, während sie auf ihren Händen im Spagat steht, reden, als würde sie andächtig ein Ave Maria auf der Kirchenbank beten? Selber beginnt man zu beten. „Herrgott, möge mich niemand sehen!“ Doch ehe sich das eigene Schambeingefühl und irgendein Ehrgeiz ihren Weg auf die Matte bahnen, unterbricht die Trainerin die entstehenden Verkrampfungen. Es gehe hier um nichts. Yoga ist nicht olympisch. Niemand erwarte irgendetwas von dir. Du entscheidest, wie weit du gehst. Und du entscheidest eben auch, wie weit du dich von der Dehnbarkeit und Übermenschlichkeit dir fremder Seelen beeindrucken lässt. Dein Fuß hinter deinem Ohr interessiert mich nicht. Mit dieser Einstellung geht man sodann gemütlicher mit den sanft diktierten Herausforderungen um. Wenn ich etwas nicht kann, dann wollte ich halt einfach nicht. Ich oder meine Hüfte. Oder irgendein neu entdeckter Muskel, dem man sich eh erst einmal höflich vorstellen muss. Doch irgendwann rinnt der Schweiß, die Zehen kommen in der Vorwärtsbeuge greifbar näher und die Nummer mit der Brücke versucht man einfach mal – ohne Fahrradhelm. Und siehe da: es geht und der Schädelbasisbruch bleibt aus. Das nennt man dann wohl Erfolge, über die man sich ein bisschen zu freuen beginnt.
Aber das sind Details. Es geht hier ein- und ausatmend um nichts und das große Ganze zugleich. Jedes Mal, wenn man diese Matte ausrollt, lernt man mehr als die dehnbaren Grenzen seines Körpers kennen. Man entdeckt die Grenzen seines Geistes. Seine innere Haltung und Verfassung. Wohin fliegen die Gedanken in den ruhigen Momenten? Wie gehe ich mit Herausforderungen um? Nehme ich wahr oder werte ich? Am Ende geht es um die Regulierung der Lautstärke des Schepperns. Nicht nur auf der Matte. Wenn man zum Abschluss einer Stunde in der „wichtigsten Übung“, die sich irgendwie „Schnaps-Wasser-ja“ nennt, auf seinen zwei Quadratmetern Kautschuk liegt, merkt man, wie es leiser wurde, das Scheppern. Wie es kommt, aber auch wieder geht, wenn man es nur anschaut, anstatt mit ihm zu sprechen. Stattdessen merkt man dieses Kribbeln, dieses Scheppern im Bauch. Ganz so, als sei man ein kleines bisschen in sich selber verliebt. Man spürt nach all der Anstrengung diese komplette Form der Ent-Spannung, die erst im Kontrast mit der vorherigen Anspannung entsteht.
Irgendwann steht man wieder auf. Und merkt, dass man sich dabei nicht mehr wie ein herabschauender Hund fühlt. Eher wie ein lachender Buddha.
Das Lachen in mir grüßt das Lachen in dir.
2 Gedanken zu „Die Ohm-Macht.“
Yoga hab‘ ich noch nicht probiert, mir fällt der komische Dialog (von welchem Berliner auch immer) ein „Mensch, jeh in Dir“ – „War ick schon, is ooch nüscht los“. Buddha würde dazu vielleicht sagen „Genau das ist es, nichts, nur Ruhe und entspanntes Lächeln, sonst nichts“. Ich entspanne mich am liebsten bei Spaziergängen in der Natur oder beim Blick aus dem Fenster, das geht auch …
Mein Lächeln aus mir…..ist einfach zu laut für Joga! Nur darum (natürlich 😉) habe ich es noch nie versucht! Aber ich bewundere alle, die sich und ihren Körper nebst Geist durch diese Übungen…..quälen!? Oder zumindest gedehnt entspannen! 🤔Mir reicht auch eher der entspannte Spaziergang mit dem Blick in die Natur oder eben dem lauten Lachen mit meinem Mitspaziergänger. Ein und ausatmen vergesse ich per se nicht …..auch manchmal ganz tief. Damit frische Luft in meine Lunge kommt und keine Schweiß, Gummi, Körpetausdünstungen geschwängert Luft!😉
Aber diesen Beitrag zu lesen, hat mir wieder ein herzhaftes Lachen bescheret was ich gerne an den Schellenaffen sende, ganz ohne Gliederschmerzen!😊