Kinder, Kinder.

Lego Star Wars Erwachsen werden Kinder Legostein

Er will. Er will. Er will. Jeden Abend. Das gleiche Drama. Er will mit seinem Lego spielen. Anstatt ins Bett zu gehen, aufzuräumen oder seine Steuererklärung zu machen. Der erwachsene Mann will einfach jeden Abend Zeit mit bunt eingefärbten Klötzen aus Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymerisat verbringen und Dinge bauen, von denen er sonst vielleicht nur träumt. Ein Porsche, ein Haus oder eben ein Imperial TIE Fighter™. Er ist nicht alleine mit dieser Sehnsucht. Während Frauen die Pandemie dazu nutzen, selbstgestrickten Mundschutz zu fermentieren, spielen Männer mit Legosteinen. Und während sie den Krieg der Sterne auf dem Küchentisch nachspielen, fragt man sich, ob der Mensch jemals erwachsen wird?

Als Kind ging man stets davon aus, dass man ab einem bestimmten Alter erwachsen sei. Schließlich waren ja alle Menschen eines gewissen Alters erwachsen. Sehr erwachsen sogar. So mit ernstem Gesichtsausdruck, Girokontokarte und Angst vorm Klettern. Erwachsen werden die Alten. Doch dann saß man in der Univorlesung und schrieb sich noch immer Zettelchen mit seinen Freunden. Oder ging mit Anfang dreißig nachts schaukeln. Und fragte sich: wann werde ich eigentlich erwachsen? Werde ich überhaupt jemals erwachsen?

Wenn man Bilder von sich aus der Kindheit sieht, fühlt man sich eigenartig distanziert zu der kleinen Person, die da auf dem Bild Pony reitet, Drachen steigen lässt oder Legostädte baut. Man wundert sich über das runde Gesicht, das einen entfernt an irgendwen erinnert. Doch gleichzeitig fühlt man sich sonderbar nah zu der Freude, die man damals spürte und den Gedanken, die durch den schlecht frisierten Kopf pusteten. Äußerlich verändert man sich ständig und unaufhaltsam. Innerlich tut sich hingegen erschreckend wenig. Es gibt keinen Bruch der Gedanken, wie es eine Lücke zwischen zwei Momentaufnahmen gibt. Die Gedanken von damals sind Teil des Schepperns von heute. Nicht mehr ganz so schrill. Doch der Klang ist der gleiche. Die Furcht vor dem alten Schuldirektor spürt man noch genauso wie die Aufregung vor der ersten Fahrstunde. Ist und bleibt man am Ende ein faltiges, grauhaariges Kind mit Dispokredit und Zahnzusatzversicherung?

Der äußere Verfall führt mittlerweile dazu, dass man auf offener Straße gesiezt wird oder der offensichtlich älteste Mensch in einem Raum ist. Doch unweigerlich schaut man sich suchend um – nach einem Erwachsenen, der hier ein Auge auf alles haben sollte. Dabei führt man gemeinsam mit den Menschen, mit denen man früher Kind war, heute das, von dem man damals dachte es sei das Leben von Erwachsenen. Man unterhält sich über Klemmmarkisen, Kinderbetreuung und Anlagestrategien. Man besitzt einen Christbaumständer. Doch manchmal lacht man laut auf (vor allem wenn jemand Ständer sagt) und wundert sich gemeinsam darüber, wie man so sang- und klanglos in dieses Leben eines Erwachsenen rutschen konnte. Erwachsen waren und sind schließlich immer die anderen. Man redet zwar nicht mehr über das Gleiche, aber man redet noch immer gleich. Und baut nur ein paar Erwachsenenwörter in seine Sätze mit ein. Wie Klemmmarkise. Und hofft, dass es keinem auffällt, wie mega komisch man das findet. Ob man mit 90 wohl auch noch mega sagt und sich immer noch fragt, wie heiß man Jeans eigentlich waschen darf? Weil man mit 90 noch Jeans trägt? Oder rutscht man irgendwann auf seinen Senkern aus auf dem schmalen Grat zwischen „jung geblieben“ und „mega peinlich“?

Erwachsen werden Kinder Spielzeug ferngesteuertes Auto

Als Kind wollte man immer die Dinge machen, die nur die Erwachsenen durften. Lange aufbleiben, am Sekt nippen oder einkaufen gehen. Heute sehnt man sich nach den Dingen, die nur Kinder machen durften. Man versucht sie „einzuerwachsenen“, um das kantig gewordene Gesicht nicht zu verlieren. Der Hula Hoop Reifen wird zum High-End-Sportgerät. Der Lego-Porsche ist hochpreisiges Interior-Design für alle Liebhaber schneller Oldtimer. Das Longboard beugt dem Burnout vor und hilft dabei, sich endlich mehr fallen zu lassen. Und irgendwann werden die Sneaker vom Orthopäden empfohlen.

Und man freut sich darüber wie ein Kind.

2 Gedanken zu „Kinder, Kinder.

  1. Wer zu sich selber steht und das steht bekanntlich schon in der Bibel( liebe deinen Nächsten wie dich selbst) der akzeptiert auch das er/sie immer ein Stück Kind bleibt! Und das ist gut so! Denn wer sich ein kleines Stück Kindsein behält bleibt als Erwachsener glücklicher und entspannter im Umgang mit all den ach so Erwachsenen „Alten “ in seinem Umfeld! Denn:“Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder….!“ Werdet ihr nicht glücklich. Das hab ich kürzlich wieder mit meinem kleinen Enkel erleben dürfen! Dieses Glück, stundenlang mit einer Spielzeug Dieselbahn voller kleiner Plastik Dinosaurier über eine Couchlehne zu fahren erfährt man nur mit ganz viel Kindlichem Gemüt! 😊 Ansonsten steht man nur daneben und schüttelt den Kopf, über soviel sinnloses, albernes, dummes Tun! Wie schade! Also eine große Portion „Kind im Mann (Frau)“ sollte sich jeder bewahren, dann meistert er/sie sein Leben viel leichter und entspannter…… wie ein 3 jähriger eben!🤣

  2. Als Kind habe ich die Erwachsenen für ziemlich merkwürdige Wesen gehalten – jetzt in fortgeschrittenem Alter denke ich, dass ich gar nicht so falsch lag, Kinder Kinder…

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