ASAP. Wer kennt es nicht. Was klingt wie ein besonders ätzender Fliesenreiniger („Wisch den Kalk ab, mit Asap!“), ist eine besonders reizvolle Datumsangabe: as soon as possible. Wer sich hierbei im plüschigen, zärtlichen Lehrplan einer Waldorfschule wähnt und sich erst mal eine Tasse Glückstee aufbrüht, wird ASAP heiß erwischt werden. Spätestens wenn über Telefonteamszoomail minütlich nach dem Arbeitsstand gefragt wird, merkt man, dass mit „heeey duuu, mach sobald du kannst“ eigentlich der Wunsch nach dem Antritt einer Zeitreise gemeint ist. Einer Reise ins Gestern. Wer wiederum versucht in der Vergangenheit Aufgaben zu erledigen, die ihm im Heute gestellt wurden, dem fehlt es grundsätzlich an einem guten Gefühl für Raum und Zeit. Vielleicht ist dadurch der Hang zur Verkürzung zu erklären, der in der Welt der nicht manuellen, sprich weniger handfesten Berufe seit geraumer Zeit Einzug hält. „FYI – wann die PPT mit dem BP done sein muss ist noch TBD, aber spätestens EOB. Wenn du sie verschickst, nimm mich in CC und schicke das RSVP PLS direkt mit.“ Was TBD wirklich bedeutet, muss erst noch decided werden. Oder discussed. Oder Dudelsack. Aber wer weiß das schon. Denn Zeit, um die Bedeutung von Abkürzungen zu recherchieren hat am Ende eh höchstens der Schülerpraktikant, dessen wichtigstes „priority project“ jedoch das Aufräumen der firmeneigenen Asservatenkammer ist. Und zwar ASAP, aber spätestens bevor die Klassenlehrerin zu Besuch kommt, um sich nach dem Befinden des Sohnes des Golffreundes des Geschäftsführers zu erkunden. Nein, wer Zeit hat, der hat bald noch mehr Zeit, weil er keinen Job mehr hat. Und so hat wirklich niemand Zeit für ineffizientes Geplänkel, also das Sprechen in ganzen Sätzen und vollständigen Wörtern, in diesen auf absolute Höchstleistung getrimmten Vordenkermaschinen der modernen Wirtschaft. Nein. Hier geht es schließlich 24/7 darum, die Welt mit einem App-basierten, KI-gesteuerten, vollautomatisierten, purpose-fundierten, digitalen Kantinenspeiseplan und mit Hilfe eines in Firmenfarben laminierten Fahrradkuriers zu retten. Oder es geht eben darum, Unternehmen zu beraten, die an der Entwicklung App-basierter, KI-gesteuerter, vollautomatisierter, purpose-fundierter, digitaler Kantinenspeisepläne arbeiten und irgendwie ein Problem mit ihrer Firmenfarbe und/oder ihrem Fahrradkurier haben. Oder es geht um irgendwas mit Social Media.
Um all diese Herausforderungen gleichzeitig und natürlich ASAP zu lösen,, bedarf es geölter Arbeitsabläufe, zu deren Steuerung man geölte Arbeitsabläufe braucht. Die Prozesse zur Steuerung der Prozesse dokumentiert man folgerichtig in einer Prozess-Matrix. Die Matrix dient dazu einem jeden Mitarbeitenden regelmäßig die Möglichkeit zu bieten, aus der zweidimensionalen Bildschirmwelt aufzutauchen (bis Marc Zuckerberg das mit dem 3D-Meta-Keiner-versteht-was-er-meint geregelt hat). Jede Abteilung dokumentiert und prozessiert ihre eigenen Abläufe. Hierbei wird kleinlichst darauf geachtet, dass keine andere Abteilung oder Firmensoftware eine Ahnung davon bekommt, was in jener Abteilung getan wird. Wo kämen wir da hin – außer weiter?! Das nur durch akribische Detailarbeit zu erzielende Ergebnis dieser Bemühungen nennt sich schlussendlich „Matrixenlager“. Um die Undurchsichtigkeit eines jeden Unternehmensbereiches darüber hinaus sicherzustellen, werden diese vierteljährlich umbenannt und um eines der folgenden Worte in willkürlicher Aneinanderreihung ergänzt: Digital, Innovation, Strategic, EMEA und/oder Gurkensalat. Der mit einem Blaumann (Mann mit blauem Anzug) bestückte unterqualifizierte, überbezahlte Posten des Vorturners ist ein „Head off“, also eine eher kopflos wirkende Gestalt mittelstarker Zumutung und Alterung. Er dient primär der allgemeinen Verwirrung.
Ebenjener Chefgestalt stellt man in der Regel Termine ein (während man sich eigentlich gerne selber einen einstellen würde, vorzugsweise einen GT), um mit ihr zu sprechen. Einfach anrufen ist keine Option. Auch dann nicht, wenn der Blaumann blau macht und nicht zum eingestellten Termin erscheint. Es folgt der Follow-Up-Termin, bei dem besprochen wird, wann es zeitlich passen würde um zu sprechen. Einfach so angerufen werden lediglich Menschen, denen man eine E-Mail schicken wird, um deren Versand verbal zu begleiten („Ich hab dir grad was geschickt. Hast du dir das schon angeschaut?“). Diese zweidimensionale Form der Kommunikation wurde nun bereichert um eine dritte Dimension, die beides in sich vereint: schriftliches Gelaber in Form eines Chats. Chats haben sich seit ihrer Erfindung in den späten Neunzigern nur unwesentlich verändert. Sie dienen weiterhin dem spätpubertären Austausch fragwürdiger Wortreihungen und Bildchen. Neuerdings bewegen die Bilder nicht nur den Hormonspiegel, sondern auch sich selbst. Also die Bildchen. Das nennt sich Gif und wirkt besonders giffig. Gifs sind nicht zu verwechseln mit der sehr artgleich erscheinenden Funktion der „Video-Telefonie“. Hier wiederholt sich zwar auch sehr viel, aber Tierbabys spielen nur eine untergeordnete Rolle, indem sie unter dem Tisch des Gegenübers das WLAN-Kabel (ha ha) anfressen.
Während man nun damit beschäftigt ist, das passende Gif zum Thema „Katzenbaby weihnachtlich“ und im Home Office den Kantinenspeiseplan herauszusuchen, macht die Spendenorganisation, die einem zu jedem Monatsende eine Zuwendung zukommen lässt, tatsächlich so etwas wie „Umsatz“. Schock, große Not! Wie konnte das passieren? Diese eigenwilligen „Kunden“ sind schuld hieran. Dabei wollte man genau das doch tunlichst vermeiden. Damit sich dergleichen nicht wiederholt, gibt es prompt neue Prozesse, Firmenfarben, Beförderungen – und das wichtigste: eine Projektgruppe, die sich „Future United Change Kickoff“ nennt und sich vorrangig damit beschäftigt, eine passende Projektsoftware zu finden, um damit das Projekt zu steuern, das sich der Steuerung von Projekten annehmen soll. Die Software „Projekt unification hub“ steht ganz oben im Kurs.
Wer jetzt nur denkt „Puh, Fuck“ ist nicht nur in der digitalen Arbeitswelt angekommen, sondern auch in der Realität. Oder gehen wir etwa die heutigen, globalen Herausforderungen wesentlich anders an? Denn egal ob auf der Erde oder auf dem Bürostuhl: wir drehen uns gerne im Kreis.
2 Gedanken zu „Kurzer Prozess.“
Ich freue mich angesichts der kommunikativen Dystonien erstens dass ich schon in Rente bin und zweitens kann ich zur
Frage computergesteuerter Merkwürdigkeiten nur lachend sagen „von wegen KI – ich kann immerhin bis drei zählen, mindestens, wdie binär fixierten Kollegen Computer kommem bestenfalls bis zwei und das wird so bleiben…..“
Ich sage nur KA und schön das ich mit dem Schiet nix am Hut habe….also in der „Sprache“ der oben erwähnten Spezies SnaH. Sieht direkt weniger vulgär aus!