GASTBEITRAG von Trippel B: Gemeinschaftliches Treibenlassen

Freibad Frühschwimmer Gemeinschafft Trippel B Bonn Panorama Bad Bad Godesberg

Es gibt viele Möglichkeiten, Gemeinschaftsgefühl aufkommen zu lassen. Sei es durch gemeinsames Singen in Fußballstadien oder Gesangsvereinen, durch gemeinschaftliches Erkunden neuer Wanderpfade oder Strickmuster. Seit zwei Jahren gehöre ich nun selbst einer solchen Gemeinschaft an – dem Frühschwimmerclub unseres örtlichen Freibades. Leicht bekleidete Menschen treffen sich jeden Werktag vor dem ersten Sonnenstrahl vor dem Tor desselbigen Bades. Das Tor ist noch verschlossen, denn man kommt immer mindestens einige Minuten zu früh, um beim gemeinsamen Warten schon die ersten Neuigkeiten auszutauschen. Die Zustände von Gärten, Schlagzeilen der Lokalzeitung, das Wetter, in dem man schließlich badet, und natürlich die Wehwehchen, die jedoch so abgezählt sind wie die Bahnen, die man jeden Morgen zieht. Dann pünktlich um halb sieben kommt Herr oder Frau Bademeister, öffnet das Tor und wird freundlich von der sich vorbeidrängenden Menge begrüßt. Man kennt sich ja schließlich länger als 50 Meter.

Dann kühlt die warmherzige Stimmung jedoch abrupt ab, denn es gilt schnell, vor allem schneller als alle anderen, durch die Kartenkontrolle zu kommen. Herablassend werden diejenigen beäugt, die keinen Generalsstern, sprich eine Jahreskarte vorweisen können. Gar aliengleich und etwas furchteinflößend wie ein Alligator gelten diejenigen, die wie ich im „Internet“ ihre Karte gekauft und ausgedruckt haben.

Hat man den Türsteher passiert, stürmt die schwimmende Menge ins freie Bad. Die besonders Sportlichen und Gelenkigen lassen bereits auf dem Weg zum Beckenrand alle Hüllen fallen und springen ohne Halt unter einer Dusche mit einem Kopfsprung ins kühle Nass. Auch ich schließe mich mittlerweile den strippenden Horden an und freue mich, wenn ich als Erste im Wasser bin. Natürlich nur, um das Glück einer völlig freien, spiegelglatten Bahn zu genießen. Nicht, um jemandem eins auszuwischen. Niemals.

Freibad Frühschwimmer Gemeinschafft Trippel B Bonn Panorama Bad Bad Godesberg

Der übrige Teil unserer Gemeinschaft ohne Namen und Mitgliedsnummern nimmt Kurs auf die Umkleidekabine. „Ne, so vor allen ausziehen, das geht doch nicht!“ Ebenso unvorstellbar, wie ein öffentliches Striptease wäre es, die eigenen Habseligkeiten wirr auf von Gänsekot gedüngten Rasen zu werfen.  Diese Gruppe, meist ältere Damen, kommt dann auch erst ins Becken, wenn die anderen Schwimmer schon das halbe Pensum hinter sich haben. Sind sie sodann alle im Becken vereint, beginnt das muntere Treibenlassen. Ein Becken aller Schichten, Altersklassen und Konfektionsgrößen. Alt und jung, dick und dürr, laut und leise, Ebenholz und Kraterlandschaft. Vom Wettkampfsportler bis zum Stehschwimmer (Bojen, die im Wasser treiben), vom rüden Schaufelraddampfer, der Wasser und Mensch erschlägt bis zum rücksichtsvollen Schwan ist alles dabei. Die einen wollen sich vor ihrer sitzenden Tätigkeit austoben, die anderen machen den schnatternden Nilgänsen Konkurrenz. Wieder andere achten kleinlichst darauf, allem Wellenschlag auszuweichen und stören sich an allem, was keine Fliesenkachel ist. Doch am zwielichtigsten sind die Schönwetterschwimmer, die bei Sonnenschein und Wohlfühltemperaturen ihre Sommerferien im Freibad verbringen und das ausgeklügelte Gemeinschaftsgefüge in Wallung bringen. Aber nun sind die Ferien vorbei und der Herbst bahnt sich an. Dann ist man wieder unter sich.

Freibad Frühschwimmer Gemeinschafft Trippel B Bonn Panorama Bad Bad Godesberg

Den Kern der Gemeinschaft bilden die grauköpfigen Damen und Herren, die seit 50 Jahren zu diesem Frühschwimmerkreis gehören, aber eigentlich gar nicht schwimmen können. Gut erkennbar an ihrem grauen Haupthaar oder in der aufgehenden Sonne glänzenden Haarkranz, bilden sie ein unpassierbares Netz in der Mitte des Beckens. Sie reden, strampeln mit den Beinen, gestikulieren mit den Armen und fühlen sich pudelwohl. Gemeinsam erzeugen sie genug Auftrieb. Was um sie herum geschieht, ist nebensächlich. Pünktlich um kurz nach sieben ruft sie das Frühstücksei aus dem Becken und sie verabschieden sich mit einem elefantösen „Tschöhö, bis morgen!“.

Diese Gemeinschaft hat mich nun nach zwei Jahren in ihre schwappende Mitte aufgenommen. Ich darf ein Wort des Grußes wechseln und mich am Austausch wichtiger Neuigkeiten beteiligen. Ich werde gefragt, wo ich herkomme und wenn ich mal nicht da war, heißt es: „Wir haben Sie gestern vermisst, wo waren Sie?“. Also mache ich es nun, wie es sich gehört und melde mich bei meiner Gemeinschaft der Frühschwimmer ab. Sonst heißt es noch: „Wo ist denn die Große mit dem geblümten Kleid?“ So nennt man mich anscheinend, denn Namen werden erst nach vielen Jahren erfragt und Siezen ist selbstverständlich. Duzen wäre ja schließlich der Untergang dieser kleinen Gemeinschaft, die sich frühmorgens in einem kalten Becken in den Tag treiben lässt.

Trippel B

3 Gedanken zu „GASTBEITRAG von Trippel B: Gemeinschaftliches Treibenlassen

  1. Dem Ist nichts hinzuzufügen! Außer einem Dankeschön an den Schellenaffen, dass er mir ermöglicht hat, meine Gedanken mit einem „breiteren“ Publikum zu teilen!😊

  2. Als Nichtschwimmer halte ich mich zurück und übergebe an Petra:
    Danke für die anschauliche Schilderung der morgendlichen Schwimmaktivitäten.
    Ich bewundere dich um soviel sportliche Ausdauer und wünsche dir auch weiterhin „gut nass“.

  3. Als Nichtschwimmer halte ich mich zurück und übergebe an Petra:
    Danke für die anschauliche Schilderung der morgendlichen Schwimmaktivitäten.
    Ich bewundere dich um soviel sportliche Ausdauer und wünsche dir auch weiterhin „gut nass“.

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