Heute spannen wir mal den ganz großen Bogen – mit dem Vorsatz, ihn völlig zu überdehnen. Denn so ganz verallgemeinernd trifft die Beschreibung „ausgeleiert“ auf erstaunlich viel zu. In dieser letzten Zeit, von der man zu glauben beginnt, sie sei wirklich die allerletzte. Wenn Kartoffelbrei auf van Gogh trifft, dann ist die Menschheit nun wirklich nicht mehr zu retten. Oder war es Tomatensuppe? Egal, ausgelöffelt und püriert ist beides. Insbesondere der Planet, auf dem übrigens van Gogh Gemälde hinter sicheren Glasscheiben an die Wand gedübelt wurden. Das 1,5-Grad-Ziel ist nicht zu erreichen, auch wenn wir die Heizung um zwei Grad herunter drehen und klimaneutrales Katzenfutter kaufen, das den Regenwald schützt, indem es Zertifikate erwirbt, die auf Papier aus Tropenholz gedruckt wurden. Denn das mit der Neutralität kauft man eh niemandem ab. Außer den Schweizern. Die machen, völlig neutral betrachtet, ohnehin alles irgendwie besser. Schokolade, Käse und Meinungslosigkeit. Von alle dem können sich die Briten einige Scheiben abschneiden. Denn sie scheinen sich – wahllos – ihrem eigenen Humor hinzugeben. Anders ist das Narrenspiel nicht mehr zu erklären. An der Downing Street kann es dem Vernehmen nach nur noch bergab gehen. Bei der Anschrift sollte das nun wirklich niemanden überraschen. Da hilft nur der Blick ins Innere – des eigenen Kühlschranks zum Beispiel – und hin zu der Frage, was wir eigentlich essen, wenn keiner hinschaut. Wer behauptet, er beiße auch in unbeobachteten Momenten beherzt in den Sellerie, der möge sich um den Posten des Britischen Premiers bemühen. Bei so viel Ruchlosigkeit stehen die Chancen gut. Näher an der Wahrheit wohnt, wer Erdnussbutter mit den Fingern aus dem Glas löffelt. Oder wer Knuspermüsli ohne Flüssigmittel in solchen Mengen isst, dass sich eine Schuppenschicht aus Krümeln auf den Schultern bildet. Die anderen beißen nackt vor der offenen Kühlschranktür stehend beherzt in Ekelwurst, von der man nie weiß, ob sie Katzenfutter in Därmen oder eine Ausgeburt der Downing Street sind. Manch einer gönnt sich hingegen direkt eine mehrgängige Saftkur aus Oliven-, Wurst- und Ananaswasser. Trübe Wasser sind eben tief, weil man den Grund hierfür nie erkennt. Aber um die Klimakatastrophe abzuwenden, dürfen eben keine Ressourcen mehr verschwendet werden. Selbst Wurstwasser. Vielleicht ist deswegen zu erklären, warum wir uns immer wieder zumüllen. Nichts darf weggeschmissen werden. Und so startet man im Rhythmus des Mondkalenders eine Aufräumaktion nach der anderen und wundert sich, wo der ganze Krempel eigentlich immer wieder herkommt. Die eigene Familie gegebenenfalls eingeschlossen. Die Feiertage nähern sich schließlich, was daran zu erkennen ist, dass der Lebkuchen sein Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht hat und sich niemand mehr über die ach so aufdringlichen Weihnachtswaren aufregt. Die eigene Haltbarkeit hingegeben beginnt man derweil ebenfalls zu hinterfragen. Ist das jetzt jeden Morgen so? Als junger Mensch blickte man abgehoben und siegessicher auf das Leben, das vor einem lag und war fest davon überzeugt, sich dem ewig gleichen Rhythmus der menschlichen Mühsalen gewiss entziehen zu können. Man wird in seiner Jugend keine Dinge tun, die einem später unerklärlich erscheinen. Man wird nicht zum Start seines Berufslebens den falschen Vorstellungen hinterherrennen. Mit Mitte dreißig wird man nicht den wackeligen, faltendurchzogenen Jenga-Turm des eigenen Daseins anstarren und sich fragen, ob es wirklich das war, was man erbauen wollte. Man wird nicht am Vorabend seines 40. Geburtstags weinend seinen letzten Pickel ausdrücken, um am nächsten Tag zu betonen, wie gerne man seine Jugend hinter sich lässt, weil das ja alles so anstrengend war bis hierher. Man wird nicht bei irgendetwas mit 50 feststellen, dass einen nur noch ein adrenalinreiches Hobby von der beigen Rentneruniform trennt. Und wenn man alt ist, wird man nicht die Haut, Gehgeschwindigkeit und Mundflora einer Schildkröte haben. Gewiss, nur alle anderen Teile der Menschheit werden all diese Entwicklungsschritte eines Lebens durchlaufen. Man selbst wird niemals erwachsen werden. Das können die machen, die sich reif dafür fühlen, reif zu sein. Bis dahin spannt man eben weiterhin den ganz großen Bogen. Ist selbiger dann doch irgendwann überspannt, hauts einem – wie der neutral erboste Schweizer zu sagen pflegt – den Schnuller raus. Während normalen Menschen also ganze Kragen durch zu stark pulsierende Halsschlagadern platzen, verlieren die Bewohner eines kleinen Alpenvolkes in heller Aufregung ihren kleinkindlichen Noise Cancelling Aufsatz. Irgendwie beruhigt einen diese Vorstellung. Wer nun bei all der Schepperei beunruhigt denkt „Das ist ja überfordernder als die Abendnachrichten. Da sollte mal jemand eine Pause machen“, dem sei gesagt: wenn die tägliche Nachrichtenflut hiernach wie ein Einschlaflied klingt, hat der Schellenaffe sein Ziel erreicht. Er macht nun wirklich eine Programmunterbrechung. Denn wie heißt es so schön: man soll eine Pause machen, wenn es am schönsten ist. Der Dank gilt an dieser Stelle meinem heimlichen Kommatherapeuten, all den wundervollen Texterweiterungen durch Trippel B und Michael – all den vielen, langjährigen Lesern. Es war mir eine scheppernde Freude.
Der Schellenaffe kommt wieder, keine Frage.
Nur wann, das bleibt vage.
Und mit diesem beschepperten Versuch eines Reimes macht der Affe uns allen nach über fünf Jahren und 208 Beiträgen den Abschied auf Zeit einfacher.
2 Gedanken zu „Das große Scheppern“
Nun ist es also passiert! Der Schellenaffe geht in den Vorruhestand….oder eher in eine Schaffenspause….hört sich weniger entgültig an! Somit werde auch ich keine monatlichen Kommentare mehr von mir geben…..Schade, oder!? Aber ich habe den unschlagbaren Vorteil mich noch über viele Jahre mit meinen privaten Schellenaffen auszutauschen, zu diskutieren, zu debattieren oder einfach zu quatschen! DANKE an den kleinen lauten Affen für 5 Jahre aufrüttelndes Scheppern …das war GROßARTIG!!!! LG Trippel B
die Sache mit den Attacken auf Kunstwerke, bisher eher von offensichtlich Geistesgestörten begangen, zeigt, dass die nach oben offene Irrsinnsskala auch Platz hat für Menschen, die es vielleicht gut meinen aber glauben dass der gute Zweck alle, auch die absurdesten, Mittel heiligt. Das aber läßt erwarten, dass der Stoff für den Schellenaffen auch nach der Pause nicht ausgehen wird, ich wünsche ihm gute Erholung und dann auch wieder neue Schaffenskraft …
übrigens habe ich schon vor 7 Jahren, als in Paris die Affentänze aufgeführt wurden, aus Freude über die Einigung auf das 1,5 Grad Ziel, das Ganze nicht so ernst genommen …