Was werde ich, wenn ich doof bin?

Breakfast Bowl Essen von oben

Liebe Kinder,

heute möchte ich euch in unserer Unterrichtsreihe „Was werde ich, wenn ich groß bin“ einen wirklich tollen Beruf vorstellen. Letzte Woche haben wir über Lehrer, Ärzte und Schauspieler gesprochen. Doch das klang nach einer Menge Arbeit, oder? Der heutige Beruf für Sitzenbleiber hingegen verbindet das alles und ist eine viel aufregendere, bedeutsamere Arbeit, die aber nicht jeder von euch erlernen kann. Auch wenn man dafür gar nichts können muss. Und auch nichts lernen.

Ihr arbeitet mit wichtigen Menschen, also eigentlich vor allem mit euch selbst, zusammen. Ihr könnt den ganzen Tag zuhause sein oder einfach verreisen. Ihr werdet ganz viel ausschlafen und nie müde, ganz viel essen und nicht dick, ganz viel besitzen und nicht reich. Ihr werdet zerrissene Hosen tragen und seid trotzdem angezogen. Ihr sammelt ganz viele Freunde und Herzchen-Emojis und seid trotzdem alleine.

Heute geht es um den Beruf des „Influencer“.  

Aber was macht ein Influencer eigentlich? Ich habe euch ein paar Bilder mitgebracht, die euch zeigen, wie der tolle, aber anstrengende Arbeitsalltag eines Influencers aussieht. Er erwacht morgens in aller Frühe, schminkt und frisiert sich, legt sich wieder ins Bett und steht dann mit der Mittagssonne gut gelaunt und total ausgeschlafen auf. Hello World.

Instagram Influencer
Quelle: Instagram caro_e

Zum Frühstück löffelt der Influencer dann alles, was das Hotelbuffet hergibt – immer aus einer einzigen Schüssel. Das mit dem Schneiden und Zerkauen fester Nahrung mag er nicht. Er mag sein Leben gerne breiig und löffelweise. Meistens legt er alle Zutaten in einer auf halb eins ausgerichteten, geraden Linie in die Schale – die Technik hat er vom frühkindlichen Koksen gelernt – und bedient sich ergänzend bei der Blumendeko am Buffet oder den Süßigkeiten vom letzten Karnevalszug der Kinder.

 

Instagram Influencer
Quelle: Instagram annafrost

Er nimmt sich dafür (too) much time – weil er noch auf den Postboten wartet, der ihm vermutlich eine Einladung zur Blogger-Konferenz in Bielefeld und die neue EINKAUFAKTUELL mit dem schwierigen Sudoku vorbeibringt.

Instagram Influencer
Quelle: Instagram lindarellade

Ausgeschlafen und mit einem ganz dicken, voll gefressenen Bauch startet der Influencer schließlich  mit einer kleinen Fahrradtour (Distanz ca. 20m Holzsteg) in den Tag – ausgestattet mit Blumenkörben, seiner für diesen Moment auserwählten besten Freundin Bestie und diversen Fotofiltern. Der bescheidene Influencer needs nothing else.

Instagram Influencer
Quelle: Instagram caro_e

Nach der Anstrengung springt er zur Abkühlung mit einem great shot in einen hübschen Pool und in das Gesicht eines Kleinkindes.

Instagram Influencer
Quelle: Instagram caseyneistat

Nachdem er seinem Kind das Gesicht zertrümmert hat, zeugt er dann im Wasser so gleich ein paar neue kleine Influencer oder reitet auf hübschen aufblasbaren Gummitieren. So adorable.

Instagram Influencer
Quelle: Instagram collagevintage

Manchmal reitet er auch auf einem richtigen Pferd – im Bikini an tropischen Stränden zum Beispiel in Nordamerika. Summer loving im Mai in Kanada. What an experience.

Instagram Influencer
Quelle: Instagram luisalion

Naja oder er sitzt halt auf dem Gaul und denkt traurig an seine haarlosen, geruchsneutralen Gummitierchen. Einhörner oder Flamingos sind dem Influencer doch immer noch am liebsten. Schrill, bunt und voller heißer Luft sind sie eben einfach seine soulmates, seine loved ones.

Instagram Influencer
Quelle: Instagram novalanalove

Natürlich macht der Influencer auch ganz alltägliche Dinge. Wie zum Beispiel Sport im Wattenmeer und Wäsche waschen.

Instagram Influencer
Quelle: Instagram fionaerdmann (wie passend)

Oder er erledigt – trotz sehr, sehr vieler Nahrungsspenden, die ihn täglich erreichen – ein paar Einkäufe im Edeka. Burritos kauft er dann am liebsten im bequemen Döneroutfit.

Instagram Influencer
Quelle: Instagram philjacob

Irgendwann ist auch ein Influencer mal müde von so viel Aktivitäten. Er ruht sich dann gerne auf der Straße sitzend aus – vorzugsweise in sonnigen Kurvenlagen. Klingt gefährlich, ist es aber nicht – ein einflussreicher, erhobener Arm, eine dicke Schicht Filter und ein Airbag voller luftleerer Likes schützt ihn ganz doll.

Instagram Influencer
Quelle: Instagram dagibee

Ich könnte euch noch viel mehr von diesem spannenden Beruf erzählen, aber ihr möchtet jetzt wahrscheinlich nur eines wissen: wie werde ich Influencer?

Das ist ganz einfach. Es gilt einfach ein paar simple Dinge zu beachten:

  • Fotos: deine Hauptaufgabe besteht darin Videos oder Fotos von dir in ein soziales Netzwerk deiner Wahl zu stellen, die tägliche, un- ok überschminkte, schonungslose Wahrheit. Dabei gibt es zwei Arten von Bildern, die du verwenden solltest: zum einen Selfies, bei denen du einen Gesichtsausdruck machen solltest, als ob du gerade die Wurzel aus 34.987 ziehst und als Ergebnis einen Pups entfahren lässt. Zum anderen gibt es Fotos von dir aus der Ferne, bei denen du verklärt in den undefinierten Horizont und niemals in das Gesicht deines Gegenübers schaust. Selbst wenn dein Gegenüber gerade sagt „Ich liebe dich“ oder „You are a little too much for me“. Niemals Blickkontakt zulassen – geradeausschauen fällt dir bei deiner neuen klumpigen Mascara-Vollverschleierung in letzter Zeit eh recht schwer.
Instagram Influencer
Quelle: Instagram jolinamennen

 

Instagram Influencer
Quelle: Instagram marenwolf
  • Sprache: deine Fotos musst du natürlich entsprechend beschriften und katalogisieren. Keine Angst, du musst dazu weder Deutsch noch Englisch beherrschen, schon gar nicht Groß- und Kleinschreibung. Zu verwenden ist eine ausgeklügelte Zeichensprache, stark gestotterte Emojiglyphen. Aber keine Sorge: die Simpsons, ein braunes Äffchen und deine Follower übernehmen das alles gerne für dich.
  • Kleidung: Die Dienstuniform des Influencer ist einfach, aber strikt: Sneaker, zerrissene Jeans und idealerweise Grabgestecke auf dem Kopf. Eine chiemseegroße Sonnenbrille oder das Gestell von Opa mit Fenstergläsern rundet die Tracht formverendend ab. An einem Bad Hirn Day solltest du dein Outfit durch stilvolle Accessoires wie Hundewelpen, Schwangerschaftsbäuche oder Partner, die dich hocheben (#hebebühne), aufwerten.
Instagram Influencer
Quelle: Instagram santiagos_munez

 

Instagram Influencer
Quelle: Instagram marenwolf
  • Ernährung: anders als dir deine Mutter das beigebracht hat, ißt du alles was dir Fremde geben. Egal ob es Kinderriegel oder Gesichtscreme ist. Wobei du verzehrst das alles nicht wirklich – dann würdest du zu breit für das enge quadratische Format. Du machst ein hübsches Foto, schreibst yummy oder #foodporn darunter und verkaufst die nach Tapete schmeckenden, überteuerten Gaben dann bei Ebay. Deine Ernährung basiert einzig und alleine auf klarem Korn, den du in Coffee to go Bechern durch die Fußgängerzone deiner Kleinstadt trägst. Korn ist schließlich einfach ein tolles Produkt.
Instagram Influencer
Quelle: Instagram luisalion

 

Instagram Influencer
Quelle: Instagram model_bianca_
  • Einkommen: du bist eine Wohltätigkeitsorganisation, die von Sach- und Geldspenden lebt. Das wunderbare daran ist, dass dich die Spender alle ausnahmslos richtig gut kennen. Sie schenken dir immer genau deine allerliebsten Produkte. Alles Dinge, die du wirklich magst und auf die du dein Leben lang gewartet hast – während du mit einer Ananas auf einer Parkbank oder mit Dünnpfiff auf einer Kloschüssel sitzt. Everything is gut verdaute flowers & pineapples.
Instagram Influencer
Quelle: Instagram novalanalove

 

Instagram Influencer
Quelle: Instagram pilotpatrick

Und nun die beste Nachricht zum Ende der Stunde: ihr könnt mit der Influencer-Karriere bereits jetzt als Kindergeldempfänger anfangen. Ihr müsst euch einfach mit eurem Frühstücksmüsli und zusammengekniffenen Wangen fotografieren. Fangt ruhig mal mit euren Smacks morgen früh an. Also hoch die Daumen – wer von euch möchte Influencer werden?

Gut, dann followed mir mal alle in den Tindergarten – dort erkläre ich euch dann die genaue Deklination und Viralität der vielen verschiedenen Herz-Emojis. 😘😍❤️💛💚💙💜🖤💔❣️💕💞💓💗💖💘💝💟♥️😻

 

5 Gedanken zu „Was werde ich, wenn ich doof bin?

  1. Entschuldigung! Wieso erfahre ich erst jetzt von diesem „tollen „Beruf? Ich hätte meinen Kindern und mir viel Stress und Arbeit ersparen können 😉. Ach stimmt, ich bin ja schon ü60 und vor gefühlten 100Jahren gab es diesen einmalig bescheuerten „Schnupfen“ Job noch garnicht und ich/wir mussten eben leider noch zu den klassischen Methoden des Beruf erlernen und arbeiten zurückgreifen 😏……. Gott sei Dank!!! Arme, moderne Welt. Danke für diese Lehrstunde, lieber Schellenaffe!😊😁☝👍❤💖

  2. Wenn man ehrlich ist – und die Schranken des mittelalterlichen Wertesystems in seinem Kopf überwindet – muss die Überschrift „Wie scheffle ich mit wenig Arbeit so schnell Millionen, dass ich mit 25 schon nicht mehr arbeiten muss?“ lauten. Denn aus Sicht der theoretischen Informatik als eine Disziplin der Strukturwissenschaften haben die, hier und an derer Stelle abfällig als Influencer beschimpften Testimonials, nichts anderes als das System gehackt. Marx und Engels würden stehend applaudieren.

    1. Du hast nicht ganz recht: ich denke Marx würde vermutlich am ehesten mittels eines Herzchen-Emojis 💗 unter novalanaloves neuestem Meisterwerk seine Bewunderung zum
      Ausdruck bringen. Applaus ist nun wirklich was für übereifrige Günstlinge..

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*