I bims 1 Genitiv – Was ist Sprache?

Blablabla Sprache Worte Watson ch

Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. Doch wie sieht dann eigentlich die Beerdigung des Genitivs aus? Vielleicht wird die Trauerrede mit den Worten „I bims 1 trauriger Dativ“ eröffnet. Mit gebeugten Häuptern steht die Trauergemeinde am knie- bis genitiven Grab und blickt auf ihre autokorregierenden Handys. Sie verteilt blaue Daumen und Kommentare wie „#nicefuneral“ und „schöne rede von dem dativ“ unter dem Live-Video der Veranstaltung. Beim anschließenden Leichenschmaus wird Buchstabensuppe gelöffelt und vergeblich ein # gesucht.

Dabei ist die deutsche Sprache eigentlich alles andere als bestattungswürdig. Sie ist drollig: sie bringt Schätze wie Donaudampfschiffahrtsgesellschaftskapitänsmützenschirm und Kladderadatsch hervor. Sie ist gerissen: kein Stotterer kann das Wort „Stottern“ aussprechen, kein Lispeler das Wort „Lispeln“ sagen, kein Legastheniker das Wort „Legasthenie“ buchstabieren. Die deutsche Sprache ist vor allem eines: markant. Ihr Klang erinnert Sprachfremde an ihre eigene Kindheit, nämlich an die gebrüllten Ermahnungen ihrer Eltern. An Irgendwas, das man nicht versteht, aber definitiv nach Ärger klingt. Ist sanft „ge`auchtes“ Französisch oder emotional wallendes Italienisch vielleicht wie eine liebreizende, melodische Massage für das Innenohr, erinnert das harte, abgehackte Deutsch wohl eher an einen Knochenbrecher, der Ohrmuscheln mit einem Nagelknipser behandelt.

Zu gerne würde ich nur für einen Tag meine eigene Sprache nicht mehr verstehen. Alleine um diesen Klang einmal zu hören. Um dieses Gefühl nachzuempfinden, wie unsere Sprache auf andere wirkt. Klingt sie wirklich so, als würden wir uns mit unserem Erzfeind, der uns unserer Vorfahren, unserer Würde und des letzten Parkplatzes beraubt hat, streiten? Hört es sich wie eine Kriegserklärung an, wenn wir Dinge sagen wie „Wie möchten Sie ihr Steak gebraten haben“ ? Vielleicht tönt unsere Sprache in fremden Ohren ein bisschen so wie für uns Tonaufnahmen aus den 20er Jahren. Vielleicht klingt es wirklich wie feinsäuberlich gehacktes Stakkato, durchzogen von gerollten Rs und kontrollierter Emotionalität –angereichert durch eine Prise mimimi und blablabla.

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Allen, die sich verzweifelt angesichts der modernen Jugendsprache am Innenohr kratzen oder glauben das Wort „dessen“ sei gegessen, sei gesagt: Sprache verändert sich. Lauscht man alten Tonaufnahmen, liest alte Texte wundert man sich über die Wandlung der eignen Sprache.  Werden Wissenschaftler in zweihundert Jahren anhand von YouTube-Tutorials konstatieren, dass wohl damals ein leicht gequäcktes„Heeeey ihr Süßen“ die gängige Begrüßungsformel unserer Zeit war?

Wäre Sprache nur eine Aneinanderreihung von Worten, gäbe es keine Missverständnisse. Doch Worte werden erst durch Grammatik, Klang und Interpretation zur Sprache. Sprache kann lautlos sein und doch schweigt sie nie. Selbst im Schweigekloster sind wir umgeben von den Stimmen in unserem Kopf. Wir denken und reden in unseren Träumen. Wir sagen Dinge mit unserem Blick. Wir sprechen selbst mit Babys, Tieren und Pflanzen, auch wenn diese uns nicht verstehen. Warum? Sprache ist am Ende vor allem eines: Ausdruck unseres Bewusstsein. Dessen sollten wir uns bewusst sein. Und mit diesem „dessen“ möge der Genitiv wieder von den Toten auferstehen – „ihr Süßen“.

3 Gedanken zu „I bims 1 Genitiv – Was ist Sprache?

  1. Dieses Loblied auf unsere Sprache,und die Sprache an sich, ist für den Schellenaffe,der gewandt mit Sprache umgehen kann, schon überfällig!
    Sprache ist der Unterschied zwischen Mensch und Tier/Natur . Sie soll ,neben dem aufrechten Gang, den Menschen auszeichnen! Beides unterliegt heute einem großen Wandel,leider 😉. Sprache hat sich in unserer Gesellschaft auf die Erteilung von Befehlen und stenografischen Aussagen reduziert. Konnte noch vor 50 Jahren die Beschreibung einer Landschaft ganze Seiten füllen und als Wortmalerei betitelt werden, so beschränkt sie sich heute auf ein bis zwei Worte:“ Super!“ Oder „Geil“😏.
    Grammatik ist out, weil man ja eh keine Sätze mehr spricht! Und wenn ein Kind etwas möchte, braucht es heute in der Regel auch nur noch ein Wort! So z. B.wenn es gerne etwas zu trinken hätte, reicht ein quängeliges „Durst“ und schon steht der Becher gefüllt vor ihm.
    Der Schellenaffe hat Sprache wunderbar beschrieben und ich als Sprachbegeisterte,die selbst ihre Whatsapp Nachrichten auf Fehler und Satzzeichen kontrolliert, würde mich freuen wenn Sprache wieder ihren Stellenwert in unserer Gesellschaft bekäme,der ihr zu steht…nämlich etwas Außergewöhnliches,Unersetzbares, Fantasievolles,
    Notwendiges ,Schönes u.v.m. zu sein. DANKE für diesen sprachgewandten Artikel!!😊

  2. Die deutsche Sprache ist sicher nicht besonders musikalisch (es sei denn man hält Rappen für Musik), aber wie sie wirklich klingt, hängt sehr vom jeweiligen Sprecher ab – mir hat mal jemand in Afrika nach einer Kostprobe auf Deutsch das Kompliment gemacht, bei mir würde es gar nicht so schlimm klingen … Apropos Trippel B und aufrechter Gang: Aufrecht gehen können auch Störche, sogar durch Salat …
    die betreffende Person es sich vorgestellt hatte.

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