Die besten B-Promis der 80er, 90er und von morgen – ein Besuch beim Deutschen Radiopreis.

Deutscher Radiopreis 2018 Preisverleihung Radio

Ich laufe über den roten Teppich und keinen interessiert es. Kein Blitzlichtgewitter. Keine Mikrophone, die mir entgegen gehalten werden. Keine Fragen nach dem Sponsor meines Outfits. Keine „Haben Sie Ihren Mann wirklich mit Ihrem zwanzig Jahre jüngeren Fitness-Trainer Giovanni Detlef Kotzlowski betrogen?“ – Rufe. Stattdessen begrüßen mich gelangweilte Gesichter von Redaktionsassistentinnen und Kameramännern und leichter Nieselregen. Ich bin erleichtert. Und ich bin zu spät. Ich bin erleichtert darüber, dass mich keiner kennt. Und darüber, dass ich es noch rechtzeitig geschafft habe und nicht in eine laufende Fernsehübertragung hineinplatze und am Ende des Abends eher unrühmliche Berühmtheit erlangen muss.

Deutscher Radiopreis 2018 Preisverleihung Radio

So nehme ich pünktlich zum Beginn der Verleihung des Deutschen Radiopreises Platz – in der letzten Reihe. Der Wein fließt auch hier auf den billigen Plätzen kubikmeterweise und die Show beginnt. Mit einer Sicherheitseinweisung. Während die versammelte Gemeinde der deutschen Radio- und Medienprominenz den nächsten Notausgang identifiziert, suche ich die nächste Fernsehkamera, um sicherzustellen, dass ich niemals im Bild sein werde. Ahne ich doch bereits an diesem Punkt, dass mir zu oft das Gesicht entgleisen wird an diesem Abend.

Ein alt bewährtes Mittel öffentlich-rechtlicher Veranstaltungen ist es, einen relativ kontextlosen internationalen Star mit mehr oder minder ausgeprägten Geldsorgen und einer zumindest nahen drogenfreien Vergangenheit für wenige Lieder auf eine Bühne zu stellen, um so der Festivität eine Aura der globalen Bedeutsamkeit zu verpassen. Je unwichtiger das Event desto bekannter wird der internationale Joker. Beim knapp an der Bedeutungslosigkeit vorbeischrammenden Deutschen Radiopreis fiel die Wahl daher auf den Hochkaräter Lenny Kravitz. Und so heizt Lenny mit verdächtig schiefer Afroperücke und Sonnenbrille der Menge zum Beginn der Gala ein. Die Menge kocht, aber eher dank der als Heizpilze fungierenden Scheinwerfer. Ansonsten werden die Tischgespräche relativ unbeirrt weitergeführt und nur kurz unterbrochen von zaghaftem Klatschen.

Deutscher Radiopreis 2018 Preisverleihung Radio

Doch die mit einer beachtlichen Bühnenpräsenz und schonungsloser Selbstironie ausgestattete Barbara Schöneberger vermag es schließlich den Entertainmentfaktor auf ein bewusstseinserheiterndes Niveau zu bringen. Eine schier endlose Abfolge von vor allem sich selbst laudatierenden Laudatoren, selbstproduzierten Einspielern der Nominierten und kurzen „Ich danke Schmitti und Petra“ -Reden der Gewinner kommt in Gang. Und so treffen Profis vor der Kamera auf unbeholfene Radiomoderatoren, die ohne ihre Kopfhörer und ihre Mikrofone vor der Nase, die an indianische Windspiele erinnern, so verloren wirken, wie Winnetou in Manhatten. Man möchte meinen, um die Tatsache auszugleichen, dass kein Mensch Radioprominenz auf der Straße erkennen würde, ist das Feld der Laudatoren gespickt mit Gesichtern, die jeder kennt, aber vermutlich kaum einer benennen kann. Der Unterhaltungswert steigt, was aber auch am stetig fließenden Getränkenachschub und der fehlenden Essensgrundlage liegen kann. Diese eine Moderatorin (Mareile Höppner) präsentiert sich in einem hautengen und -farbenen Nichts aus Tüll und einem wie eine Frittenbude glänzend geölten Dekolletee. Mit den Worten „Ich hab heute alles reingelegt“ präsentiert sie ihre Brüste, den wahren Gewinner des Abends aus ihrer Sicht – und aus Sicht der Herren in der ersten Reihe. Dieser eine Schauspieler (Heikko Deutschmann), der aufgrund seines Hangs zu Rollen in NS-Filmen nur schwer ohne Uniform zu erkennen ist, verkündet mit ernster Stimme das immer wiederkehrende Mantra des Abends: „Radio ist nicht tot. Lang lebe das Radio.“ Man wartet vergeblich darauf, dass er das Radio mit stark gerolltem „r“ intoniert und salutiert.

Es folgen die lallende Esther Schweins, die die Schauspielerei für den Kokskonsum geopfert zu haben scheint, und Max Giessinger, der wirkt, als dürfe er um diese Uhrzeit eigentlich nicht mehr auf der Bühne stehen. Wie ein kleiner runder Fremdkörper betritt schließlich Norbert Blüm das Podium, der den Anlass zugleich für ein flammendes Plädoyer für ein offenes Europa nutzt und von den Kriegserlebnissen seiner Ahnen berichtet. Doch anstatt Norbi weiter gegen den Populismus wettern zu lassen, setzt Popmusik ein. Die Künstler tragen dabei Namen wie Sushi-Rollen und klingen wie unterwürzte Reisnudeln. Man kennt sie eben aus dem Radio.

Und die Gewinner? Zeigen das völlig normale Verhalten eines Preisträgers: sie weinen und rattern im Stakkato eine Liste an Namen herunter, die sich hierdurch gewertschätzt fühlen dürfen – sofern sie ihren Namen aus der „Ich danke Güntherstefaniejohnnypeterrichardmandybirgitmeinefraumeinenelternundmeinemhund“-Salve identifizieren können. Die Darbietungen changieren meist zwischen Rührseligkeit und Fremdscham. Bezeichnend sind die Worte einer der Gewinnerin „Mein Vater hat gesagt „Willst du dich ein zweites Mal vor ganz Deutschland blamieren?“. Ja, möchte sie. Ich stelle fest, dass das Unterhaltungsniveau hat einen äußerst soliden Pegel erreicht.

Deutscher Radiopreis 2018 Preisverleihung Radio

Doch sodann läutet Barbara Schöneberger das Ende des Bühnenblablas mit den Worten „Es riecht nach Fisch.“ ein. Nach der Schlacht um die Preise beginnt die wahre Schlacht: um das Büfett. Und damit einhergehend beginnt die Fleischbeschauung: ob auf der Tanzfläche, am Büfett oder im „Talkbereich“ man fühl sich beobachteter als nackt auf dem 7m-Turm im Freibad stehend. Fremde Menschen starren sich an. „Das Gesicht kenne ich doch!?“ wird zum Motto der Aftershow-Party. Ich schweife durch die Menge und beobachte bei Seeteufel und Spannferkel das teuflische Gespanne. Ich habe das Bedürfnis „Bingo, Ingo Zamperoni“ zu rufen, während der Komödiant Buddy Ögun mit einer trendigen Plastiktüte in der Hand an mir vorbei streift. Ob er sich Essen eingepackt oder Esther Schweins „medikamentös“ versorgt hat, lässt sich nicht abschließend klären. Ebenso wie die Frage, ob Norbert Blüm frühzeitig abgereist ist oder einfach unbemerkt unter dem Tresentisch stehend seine Hymne auf Europa fortgeführt hat.

Mit einem Moonwalk über den verwaisten roten Teppich verabschiede ich mich schließlich – nicht ohne ganz wie es sich für den Pöbel gehört Becher und Blumendeko als Souvenir einzustecken. Die Trophäen des Abends schenke ich schließlich dem Taxifahrer, der seinen Abend nun mal damit verbracht hat Radio zu hören. Was mir wiederum bleibt ist ein bunter Strauß an Erinnerungen an eine rauschende Nacht, die nicht welken werden – und ein Morgen danach, der leider wenig mit der „Besten Morgensendung“ gemein hat.

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Ein Gedanke zu „Die besten B-Promis der 80er, 90er und von morgen – ein Besuch beim Deutschen Radiopreis.

  1. Dieser überaus erheiternde, authentische, ironische und sarkastische Livebericht,einer der vielen überflüssigen Veranstaltungen, die doch eigentlich niemand braucht, hat mich ,in der letzten Nacht, in der ein heftiges Gewitter mich am durch bzw. weiter schlafen hinderte, aufs Beste unterhalten 👍🤣😉!!!! DANKE lieber Schellenaffe!

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