Jede Jeck is anders. Ein Abend im Kölner Brauhaus.

Kölsch Gaffel Köln Kölner Brauhaus

Auf den ersten Blick sind alle Brauhäuser gleich: ein Geruch von Sauerkraut, Toiletten und Bier schwappt ins Gesicht. Geschäftige Kellner tragen Kostüme und schwere Teller mit fleischlastigen Speisen durch die Menschenmengen. Irgendwas dudelt im Hintergrund, doch das Klirren der Gläser und Stimmengewirr der Menschen übertönen alle anderen akustischen Reize. An den holzvertäfelten Wänden hängt Bierwerbung. Selten trifft man hier auf Kammermusik, Vegetarier oder Aquarelle. In einer Welt voller uniformierter sneaker- und smartphonetragender Hipster, die Porridge fotografieren und kalten Kaffee trinken, wirken Brauhäuser wie vergessene Heimatfilmkulissen, die rein zur Klischeeerhaltung bewirtschaftet werden. Man unterdrückt den Impuls sich selber oder den schnauzbärtigen Mann hinter dem Tresen zu kneifen.

Doch wer nun selbstgefällig mit gefährlichem Halbwissen ein Kölner Brauhaus betritt, sei gewarnt: er wird hungriger, ärmer und betrunkener als anvisiert die Gaststätte verlassen. In Köln braut man schließlich sein eigenes Süppchen. Ein dünnes Süppchen, das in Reagenzgläsern serviert wird. Möchte man noch überlegen, welche Biersorte man zum Auftakt eines gemütlichen Abends bestellen möchte, steht bereits der erste Kranz auf dem Tisch. Ein Ring – voller schmaler Gläser – sie zu knechten. Manch ein Bayer wird freundlich an der vermeintlichen Urinprobe nippen und dann sagen „Eins von denen nehm i.“ Und wird sich über den Kellner wundern, der sein Anliegen ignoriert und den nächsten Kranz schnell verwesender Bierkronen auf den Tisch knallt. Vergeblich wartet man auf einen Bunsenbrenner. In Köln trinkt man so wie man lebt: ett kütt wie ett kütt. Es braucht keine Handlungsanweisung, Kölsch fließt wie Honig und Milch. Der Geschmack erinnert ohnehin an halbwarme Milch. Die Frage „Drinks de ejne met?“ ist rein rhetorisch zu verstehen wie das „How are you?“ eines Amerikaners. So wie der Redefluss eines Kölner Karnevalsprinzen, so wird der ungeübte Gast auch den Bierstrom nicht mit Worten, Rülpsern oder winkenden Gesten zum Erliegen bringen – während sich derselbe Gast vermutlich darüber wundert, dass Menschen in einem geschlossenen Raum im Oktober Bierdeckel als Wespenschutz auf ihre Gläser legen.

Kölsch Gaffel Köln Kölner Brauhaus

Die allgemeine Verwirrung geht bei der Speisenauswahl weiter. In Erwartung eines prächtigen Gockel schaut man verwirrt das prachtlose halbe Käsebrötchen auf dem Teller an („Halve Hahn“). Auch der „Kölsche Kaviar“ vermag zu überraschen mit Roggen statt Rogen. Beim achten Kölsch beginnt man sodann „Himmel und Äad“ zu verfluchen und seine Ernährung auf Flüssignahrung umzustellen. Wat wells de maache? – möchte man den verwirrt glotzenden Japanern am Nachbartisch auf die Schulter klopfend zurufen. Verwundert stellt man fest: ein Kölner Brauhaus, der Ort, an dem nicht mal mehr Asiaten ihr Essen fotografieren.

Kölsch Gaffel Köln Kölner Brauhaus

Und doch allen Widrigkeiten zum Trotz beginnt man sich wohl zu fühlen. Die japanischen Touristen sitzen neben der Altherren-Runde. Geschäftsleute neben Einheimischen. Unter einer plörrigen Bierkrone vereint trinkt man zusammen. Keine Trachten trennen, keine schunkelnden Riten, keine sperrigen Brauchtümer. Der Köbes, der kein Kellner sondern ein Chefdramaturg ist, verteilt Bierkränze und freundliche Beleidigungen je nach Trink- und Standfestigkeit, nicht nach Größe der Pappnasen oder Herkunft. Selbst ein Düsseldorfer würde mit einem Bier und den Worten „Trink, bevor es Alt wird.“ bedient werden.

Doch irgendwann stellt man fest, dass selbst die kleinsten Zylinder viele Umdrehungen haben. Die Maß ist voll. Man verlässt das Brauhaus und winkt dem nächtlichen Schatten des Doms zum Abschied – maach et joot, ävver nit zo off.

Ein Gedanke zu „Jede Jeck is anders. Ein Abend im Kölner Brauhaus.

  1. Auch wenn ich nur „en rheinisch Mädschen“ bin und auf gar keinen Fall „en Köllsche Mädschen“, geht mir bei dem Schellenaffe“dat Hez ob“!!!! „Ne wat schön unne so passend!!! “ Alles trifft de Narel ob de Kopp!! 👍👍👍

    Ich bin übrigens, nicht über Nacht zum Legastenier geworden, nur wenn ich die Beschreibung eines Köllschen Brauhaus lese, muss Man(n)/Frau ins Kölsch verfallen!
    Einfach schön wenn so etwas normales, wie der Besuch im Brauhaus in Köln, zu seiner spritzigen Geschichte wird…..liegt sicher nicht nur am „spritzigen „( mehr oder weniger) Getränk 👌🤣😊😋!!
    Zu meinem späten Kommentar, sei nur zu bemerken, lieber spät als garnicht!😊

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*