Wir leben in einer Zeit, in der die Endlichkeit all unserer Ressourcen immer sicht- und spürbarer wird. Bezahlbarer Wohnraum, saubere Luft oder dieses eine Paninisammelbild des südkoreanischen Außenverteidigers, alles wird selten und damit kostbar. Verschwenderisches Verhalten gleicht da einem Schlag ins Gesicht der Erdengemeinschaft und wird immer weniger toleriert. Wer auf großem Fuß leben möchte, soll sich gefälligst Löcher in seine engen, alten Schuhe schneiden und zufrieden sein.
Umso überraschender ist es heutzutage, pure Verschwendung zu erleben, insbesondere an Orten der künstlich-künstlerischen Verknappung, des absoluten Platz-, Sauerstoff- und Toilettenmangels wie beispielsweise Konzertstätten. Immer eng, immer voll kommt hier niemand auf die Idee, sein ausladendes Dinosaurierkostüm auszuprobieren oder mal das alte Rokokokleid mitsamt der bienenstockartigen Perücke aufzutragen. Und doch herrscht gerade auf Konzerten so viel Verschwendung – von Platz, Atemluft, Sichtfeldern und Geld. Der Grund dieser Maßlosigkeit: Männer. Männer, die wie tragende Säulen eines Kellergewölbes, wie Laternen ohne lichte Momente, wie vom Blitz getroffene Bäume herumstehen, als seien sie mit einem Bier in der Hand im Småland einfach vergessen worden. Starr, steif, stimmungslos stehen sie herum, als würden sie einer Vortragsreihe zum Thema „Ultraschallbasierte Reinigung von Musikinstrumenten“ lauschen. Während die weiblichen Komparsen um sie herum wippend, winkend und wirr mitsingend Zeichen der Aufnahme der ihnen übermittelten akustischen Reize senden, halten sich Männer in der Regel an ihrem Bier fest. Sehr fest. Sowohl die Stimmung, als auch das Getränk könnten ja überlaufen. Und das wäre dann wirkliche Verschwendung.
Wenn sich jemand eine Konzertkarte kauft oder schenken lässt, ist anzunehmen, dass er zumindest ein wie auch immer geartetes Grundinteresse an der ihm präsentierten Musikform hat. Ausnahme bildet höchsten das Grundinteresse an der eigenen Lebenspartnerin, der zuliebe Mann zum Ed Sheeran mitgekommen ist. Doch gehen wir von einem mündigen Mann aus, der die Musik, die er hört, eigentlich mag. Was für ein Kraftakt muss es da sein, beim ersten schmissigen Song, beim Einsetzen der Gitarren, beim Trommelfeuer des Schlagzeuges alle Rhythmik an sich abprallen zu lassen und komplett, wirklich komplett regungslos in der Menge zu stehen? Diese Selbstkontrolle muss weitaus mehr Kraft kosten, als die ekstatischen Kontrollverluste der tobenden Meute um ihn herum. Warum tut Mann sich das an? Warum steht er in der Menge, wie (ein Mülleimer) an einer Bushaltestelle? Schummriges Licht, alle Blick auf jemand anderes gerichtet, im Zweifel ist Mann leicht alkoholisiert und laute Live-Musik dröhnt in den Ohren – gibt es einen besseren Rahmen für einen zumindest kleinen Kontrollverlust? Nur für ein leichtes Kopfnicken? Ein Wippen des Fußes? Vielleicht dazu ein Lächeln? Das Mitsummen einer bekannten Liedzeile? Nein?
Von außen bzw. hinten betrachtet wirken männliche Konzertbesucher daher oft wie die pure Verschwendung von Geld, Platz und Zeit. Doch das bisschen Sichtbehinderung durch männliche Bewegungsbehinderung ist vermutlich nichts im Vergleich zum Blick der Künstler auf diese Bier trinkenden Eichen im Publikum. Gelangweilt blickend und steif nippend möchte man seine Gäste eigentlich ungern beschrieben wissen. Diese imprägnierte Haltung muss doch auf einen Künstler wirken, als würde man ein ernstes Gespräch führen wollen, während das Gegenüber Musik hörend aus dem Fenster schaut und mit dem Handy ein paar Fotos macht.
Der Grund für diese tonlose Verschwendung ist jedenfalls sehr leicht identifiziert: Frauen. Sind Männer weitestgehend unter sich, wie etwa in Wacken oder auf der Revivaltour irgendeiner ungeduschten Rockerkombo, rasten sie aus. Sie rennen im Kreis, grölen irgendwas, von dem sie glauben, dass es zur Musik passt, bewerfen sich mit Schlamm und Bier und werfen ihren Haarmopp umher, als würden sie die Luft feucht durchwischen wollen. Ungeachtet der Qualität der dargebrachten Tanzeinlagen sind das jedenfalls klare Zeichen für die Fähigkeit, mit dem Kopf zu nicken. Doch sind hingegen zu viele Frauen im Publikum, die auch noch ansatzweise grazil aussehen, bei dem was sie tun, wird die öffentliche Begeisterung für den eigenen Musikgeschmack schnell peinlich. Der Tanzstil wird quickstepweise zum Stil. Zum Besenstil. Dabei müsste Mann sich nur trauen, auch umgeben von Frauen, zu sein wie ein ausgelassener Clown, nicht wie ein verrottender Baum. Denn: Musik lebt von Bewegung, sowohl physischer als auch emotionaler Natur. Sonst wären Dirigenten längst durch Ampeln und Musik bei Sportkursen durch das Vorlesen von Kalorientabellen ersetzt worden.
Also, bitte mehr Ekstase! Und zieht von mir aus Dinokostüme dabei an, falls es hilft.
Ein Gedanke zu „Starres Starren – Männer auf Konzerten.“
Stimmt! Jetzt wo der Schellenaffe es beschreibt, fallen mir die vielen männlichen sich am Bierglas festhaltenden“Eichen“ wieder ein 😂,die ich in meinem bisherigen Leben erblicken konnte. Vorallem wenn sie mich an meinem Bewegungsdrang hinderten!!! 💃
Die spritzige, humorvolle ,analytische Sichtweise des Schellenaffen fehlte mir allerdings….damals. Ich fand diese Typen einfach nur langweilig und störend. 😊Scheint sich nichts geändert zu haben…..am Verhalten männlicher Konzertbesucher!!??
Vielleicht jetzt….wenn diesen Beitrag viele Männer lesen….traut euch!