Coach: Liebe Teilnehmer, ist es nicht schön, dass Sie sich alle heute Zeit für dieses wichtige Seminar genommen haben?
Teilnehmer: Ich bin wegen der Häppchen hier.
Coach: Kennt denn jemand das Thema des Seminars?
Teilnehmer: Erfolgreiches Schnittchenstellen-Management?
Coach (lacht verkrampft): Ist es nicht schön, wenn man Humor hat?
Teilnehmer: Sie verwechseln hier – denke ich – zwei artverwandte, aber dennoch verschiedene, tief menschliche Bedürfnisse miteinander, aber: Humor ist nicht Hunger. Coach ist ja auch nicht Couch. Leider.
Coach: Haben Sie denn alle Ihre Vorbereitungsarbeit gemacht und daran gedacht, einen Gegenstand mitzubringen, der Ihren Führungsstil beschreibt?
Teilnehmer: Ich habe eine Tupperdose mitgebracht.
Coach: Aha, ist das nicht interessant? Was fühlen Sie, wenn Sie diesen Gegenstand betrachten?
Teilnehmer: Hunger.
Coach: Auf Führungsarbeit?
Teilnehmer: Ja. Auf das Führen eines Häppchens in meinen Mund.
Coach: Nun, was erhoffen Sie sich von diesem Tag?
Teilnehmer: Ich erhoffe mir, dass Sie mal zum Punkt kommen und wenigstens einen Satz nicht mit ihrem Lieblingsgegenstand – dem Fragezeichen – beenden.
Coach: Supi, wollen wir beginnen?
Teilnehmer: …aber ich gehe nicht mit allzu viel Hoffnung in diesen Tag.
Coach: Was halten Sie davon, wenn Sie Ihre heutigen Emotionen auf diese unterschiedlichen Karten malen und an die Pinnwand hängen?
Teilnehmer: Gegenfrage: was halten Sie davon, wenn ich Ihnen mit diesem wasserfesten Filzstift eine hübsche Mono-Braue male und neben ihre Naselöcher „Coaching Zone“ schreibe?
Coach: Kann ich ein kurzes Echo zu dieser Idee bekommen?
Teilnehmer: Ein kurzes Echo bekommen…bekommen..kommen.
Coach: Kann es sein, dass Sie Humor als Schutzmechanismus benutzen, um sich nicht mit Ihren eigenen Gefühlen auseinander setzen zu müssen?
Teilnehmer: Auseinander setzen zu müssen…müssen…üssen.
Coach: Möchten Sie diese Situation vielleicht ansonsten mit diesen Bauklötzen nachstellen?
Teilnehmer (greift nach einem Bauklotz und führt ihn zum Mund): Ich verstehe ja, dass der Kostendruck das gesamte Unternehmen erfasst hat. Aber muss man da wirklich jeden Cent umdrehen und jetzt auch noch ausgerechnet bei den Häppchen für Seminarteilnehmer sparen? So trockene, pappige Briketts würde man doch nicht mal einer Taube füttern. Da geht meine Tupperdose lieber leer aus. Könnte man dann nicht wenigstens diese Pappkarten aus Esspapier machen?
Coach (geht zu einem Flipchart): Ist das nicht eine tolle Idee, die wir hier in unserem Themenspeicher notieren wollen?
Teilnehmer: Ich finde ja im Allgemeinen, dass alles, was man auf Flipcharts notiert, so flippig ist wie Chartmusik oder eine Unterhaltung mit diesen Holzkeilen. Daher verdient es diesen Namen nicht. Flopchart oder Umblätterboard fände ich angemessener. Notieren Sie das mal bitte in Ihrem Themenspeicher – den ich im Übrigen auch eher Kein-Esspapierkorb nennen würde.
Coach: Da bin ich ganz bei dir, darf ich trotzdem fragen, warum?
Teilnehmer: Nein.
Coach: Nein?
Teilnehmer: Sie dürfen mich nichts fragen.
Coach: Wie fühlt es sich dann für Sie an, dass ich nur in Fragen spreche?
Teilnehmer: War das eine Frage?
Coach: Was denkst du?
Teilnehmer: Ich denke: bitte machen Sie mal einen Punkt. Wollten Sie das wissen?
Coach: Hast du auch das Gefühl, dass wir hier nicht weiterkommen?
Teilnehmer: Ja.
Coach: Was macht das mit dir?
Teilnehmer: Ich merke nicht, dass hier heute irgendjemand irgendetwas macht. Ich habe ein tiefes Gefühl der Machlosigkeit.
Coach: Wissen Sie, dass es ein wichtiger erster Schritt ist, sich dieses Gefühls bewusst zu werden?
Teilnehmer: Da staune ich aber Bauklötze.
Coach: Darf ich – damit wir pünktlich (Teilnehmer lacht) zum Ende kommen – eine letzte Frage stellen?
Teilnehmer: Lassen Sie mich raten „Gibt es noch Fragen – die ich nicht gestellt habe?“ Ich denke nein.
Coach: Was nehmen Sie nach diesem Tag mit?
Teilnehmer: Eine Tupperdose, die so leer ist wie Ihr Themenspeicher, und den Vorsatz, nie wieder ein Seminar zu besuchen. Punkt.
Coach: Ist das nicht schön? Wer möchte das Schlusswort sprechen?
Teilnehmer (steht auf): Ich möchte ein Zeichen setzen. Unverschwungen. (verlässt den Raum)
3 Gedanken zu „Fragwürdige Berufe – der Coach.“
Dazu kann ich nur zwei Dinge schreiben. Erstens ,die beschriebene Szene erinnert mich sehr stark an ein Familienmitglied!!! Zweitens der Schellenaffe muss in letzter Zeit negative Erfahrungen mit Seminaren gemacht haben! Schön, dass daraus wenigsten ein so humorvoller Beitrag entstanden ist!!! 😊 Schade um die viele Zeit, die auf sinnfreien Seminaren vergeudet wird! (Besonders wenn an der Verpflegung gespart wurde)😉
Ich lach mich schlapp. Das ist so wunderbar geschrieben und trifft den Nagel auf jeden Fall auf den Kopf. Mein Highlight – du wirst es dir denken können – das Schreiben auf den bunten Karten. Danke für diese aufheiternden Zeilen!!
Flopchart 😂 herrlich!