Ich habe von dir geträumt. Wovon der Traum handelte, wie lange er in meinem Kopf spielte, an welchem Ort wir waren, was wir sagten, ich vermag mich nicht daran zu erinnern. Wie so oft bleibt das nächtliche Scheppern im Kopf unergründlich. Doch weiß ich, du warst da. Das spürte ich, als ich alleine in meinem Bett erwachte. In diesem Traum waren wir beisammen, wie wir es immer waren. Nichts hatte sich verändert trotz all der Jahre, die zwischen unserer letzten Begegnung lagen. Dieser letzten, dieser endgültigen Begegnung zwischen jetzt und unserem Abschied. Dieses Zwischen aus Schmerz und Trauer. Aus Weitermachen und Stehenbleiben. Aus Vergessen und Nicht-Vergessen-Wollen. Zwischen damals und heute.
Zwischen deinem Tod und meinem Weiterleben.
Und so erwachte ich in dieser Welt, in der du schon lange nicht mehr mit mir redest, in der du dich nicht mehr bewegst und fragte mich, wie es sein kann, dass du in meinen Träumen noch immer zu mir sprichst?
Du bist gestorben. Du hast mich verlassen. Endgültig. Das zu akzeptieren ist schwer. Das zu glauben und fühlen unmöglich. Eine unendliche Unmöglichkeit in einem endlichen Leben. Und so lassen wir dich weiterleben. Wir, die dich kannten, liebten, erlebten. Du lebst weiter in bewussten Erinnerungen und Erzählungen – und unbewussten Träumen und Gedanken. Manchmal sind es leichte Anekdoten, die uns lachen lassen. Manchmal sind es alte Bilder, die wie Blitze im Kopf aufflackern. Manchmal sind es bewusste Momente des Erinnerns. Und manchmal ist da diese Angst des Vergessens. Die Bilder werden verschwommener, die Anekdoten weniger. Andere Menschen und neue Erinnerungen drängen sich in den Vordergrund. Man denkt seltener an dich – doch dann sprichst du auf einmal in unseren Träumen zu uns. Erinnerung ist keine Frage der Häufigkeit und Intensität, die messbar wäre. Es scheint vielmehr eine Frage des sich Einlassens, des Zulassen, des Loslassen zu sein. Kaum steuerbar, wie unsere Träume es auch sind.
Doch was bleibt, ist dieses diffuse, hintergründige Gefühl der Unvollkommenheit ohne dich. Dieses Gefühl, dass meinem Leben ein Gesicht, eine Stimme, eine Hand geraubt wurde. Dein Leben endete und mit ihm starb ein Teil von meinem Leben. So ist da diese Lücke, die man versucht zu füllen. Wie eine leere Vase, die man versucht mit Watte zu stoppen, weil sie kein Wasser mehr trägt. Mit Leben. Mit anderem Leben. Mit bewusstem Leben. Man versucht die Bürde des Weiterleben-Müssen als Chance des Weiterleben-Dürfen zu nutzen. Mach was aus der Zeit, die dir bleibt.
Die Endlichkeit des Lebens gehört, wie Schmerz und Liebe, zu den Dingen, die man vielleicht versteht – aber erst wirklich begreift, wenn man sie erlebt hat. Ich habe mir vorgestellt, wie es einmal ohne dich sein wird. Wie ein Blinder, der sich die Farben des Meeres vorstellt. Dann bricht die Welle der Realität herein. Doch anstatt gegen die Wucht der Wellen anzukämpfen, lernt man mit der Zeit sich tragen und treiben zu lassen. Mit Zuversicht und Gelassenheit. Ich kann den Lauf der Dinge nicht ändern, so wie ich deinen Tod nicht ändern kann. Ich kann nur meine Sicht auf dieses Erlebnis ändern. Der Frage „wie darf ich ohne dich jemals wieder Freude empfinden“ ist stetig die Erkenntnis gewichen: die Freude, das Glück kommen und gehen in Wellen. Die Kunst besteht darin es zu erkennen, ergreifen, wenn es greifbar ist dieses Glück. Das Unglück schafft den nötigen Kontrast, um das Glück besser, bewusster zu erkennen. Das Unglück darf kein Schatten sein, der alles Licht verschluckt. Es ist nicht das Unglück, was von dir bleibt. Es ist das Glück, dass du so einen großen Teil in meinem Leben hinterlassen hast, dass du eine Lücke hinterlässt, wenn du nicht mehr da bist. Was bleibt bist du.
Wir widmen unser Leben in der Regel uns selbst. Doch ist unser Leben nicht auch immer eine Widmung an die Menschen, die den Weg bereitet haben, auf dem wir wandeln? Und so laufe ich in meinem, in deinem Namen, im Namen derer, deren Weg ich kreuzen werde, weiter. In dem heimlichen, naiven Gefühl, dass du zuschaust. Mitfühlst. Dass Endlichkeit nicht Entgültigkeit ist. Dass du irgendwo geblieben bist. Dass jenseits des Diesseits etwas ist.
Ich bin erwacht aus meinem Traum. Und du warst nicht da. Irgendwann sehen wir uns wieder in einem Traum. In einem Traum, aus dem auch ich nicht mehr erwachen werde. Ob es diesen Traum geben wird, werde ich in diesem Leben nie erfahren. Doch das ist das Schöne an Träumen: in ihnen ist für einen Moment alles möglich.
Ein Gedanke zu „Was bleibt.“
Für das Schreiben meines Kommentars zu diesem außergewöhnlichen Schellenaffen brauchte ich etwas mehr Zeit! Ich musste meine Emotionen erst wieder in Griff bekommen. Dem Schellenaffen ist es auf seine sensible und einfühlsame Art gelungen diesem so schwierigen Thema, Verlust eines geliebten Menschen und wie gehen wir damit um, eine positive Note zu verleihen!!! Jeder von uns kommt oder ist schon einmal in diese Situation gekommen! Wie soll ich weiter leben ohne ihn/sie!? Die sensible Antwort des Schellenaffen ……mit der Dankbarkeit diesen verlorenen Menschen gekannt,geliebt, begleitet zuhaben. Mit den wertvollen und schönen Erinnerungen, die immer da sein werden und sei es in unseren Träumen!!
Danke, lieber Schellenaffe, für diesen grandiosem Montag, der mal wieder bewiesen hat, auch „schwere Kost “ wird durch dem Schellenaffe leichter! 😘