Wie sie sich winden. Die Verlierer. Wie Regenwürmer, die man mit Terpentin betupft. Da liegen sie in den Fernsehstudios. Scheinwerfer sind auf ihre Augenringe gerichtet. Mikrophone liegen bereit, um sie zu sezieren. Mikrophonisch genau.
Und die Verlierer selbst? Sie haben sich auf diesen Moment nicht vorbereitet. Das mussten sie nicht. Denn er ist schauerlich schöne Routine. Sie holen ihre Spickzettel mit vorgedachten Textbausteinen für solche unrühmlichen Momente aus ihren Schubladen. Die Karten sind inzwischen ganz vergilbt, die Worte darauf sind abgenutzt. Zäh und geschmacklos liegen sie im Mund, wie ein vor fünf Jahren das letzte Mal gekautes Kaugummi.
Mit der ersten Hochrechnung beginnt sodann das Schauspiel. Ein Trauerspiel in unzähligen, identischen Akten. Salven an Fragen werden an die Enttäuschten, die Enttäuscher gerichtet. Und diese liefern Antworten. Nicht auf die an sie gestellten Fragen, aber immerhin sind es Antworten. Auf andere Fragen. Bei der Menge der Fragen, die an einen Verlierer in diesen Tagen gerichtet werden, kann man ja schon mal den chronologischen Überblick verlieren. Es würde nicht wundern, wenn auf ein „Treten Sie zurück?“ einmal eine Antwort „Gut, danke der Nachfrage. Wir hatten tolles Wetter auf Ibiza.“ ertönen würde. Bisher ist die gängigste Antwort auf eine solch unverblümte Kritik an der eigenen Daseinsberechtigung in der Regel jedoch „Jetzt ist nicht Zeit für Personaldebatten. Ich möchte zur Geschlossenheit der eigenen Reihen aufrufen.“ Stimmt, man wechselt Trainer und Spieler ja eigentlich meist in Sommerpausen oder während der Meisterfeierlichkeiten aus.
Die Frage nach dem Umgang mit solch einem desaströsen Wahlergebnis wird ebenso souverän abgeschmettert. Man sei zufrieden mit dem – historisch (ein gerne verwendeter Begriff in diesem Schauspiel) schlechtesten – Wahlergebnis. Die gesteckten Wahlziele, die knapp oberhalb derer der Tierschutzpartei lagen, wurden schließlich erreicht. Die Aussage wird untermauert mit einem strahlenden Gesichtsausdruck, der an dröge Brötchen vom Vortag und tote Tauben erinnert, während Bilder der „Wahlparty“ eingespielt werden, auf denen Ballons in den Parteifarben über den staubigen Linoleumboden wehen und immer wieder von jemandem getreten werden. Die Stimmung ist zum Platzen.
Und wie erklärt man sich das – historisch – schlechte Abschneiden? Anscheinend sei man mit seinen Themen zu diesen possierlichen, „Wählern“ genannten Narren nicht durchgedrungen. Woran einzig und allein Berlin schuld sei. Dieses fiese Moloch. Auf die Frage hin, was denn überhaupt die Themen der eigenen Partei seien, bittet man den Kollegen einer anderen Partei, der zufällig vorbeiläuft, er möge doch mal kurz seine Karteikarte für Wahlversprechen ausleihen. Es folgt ein monotoner Monolog, ein Monotonolog, rund um die Schlagwörter „Wohnungsbau, Steuersenkung, Energiewende, Zukunft, grüne Flüchtlinge, Wohlstand für Wahlen“. Oder so.
Auf die Frage nach den Konsequenzen, die man aus dieser Wahl nun zöge, reagiert man mit einem geradezu brillanten Verwirrspiel: „Die Frage stellt sich nicht.“ – eine Antwort aus der Liga des „Ach schauen Sie mal dort, ein Vögelchen.“ Ehrgeizige Interviewprofis, die sich versuchen an der Frage nach den Konsequenzen konsequent festzubeißen, werden das erste Mal in ihrem Leben die gänzliche Bedeutung des Begriffs „ausweichen“ kennenlernen. Zunächst werde man Ruhe bewahren. Wie ein „Wahlross“ im Porzellanladen. Sehr lange. Vier bis fünf Jahre. Und die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit treffen. Irgendwann. Was die richtigen Entscheidungen sind, müsse erst einmal gründlich analysiert werden. Weitere vier bis fünf Jahre. Redner und Zuhörer sind an dieser Stelle in der Regel kurz eingenickt. Ein Schläfchen von vier bis fünf kurzen Jahren. Beim Erwachen ist die Fragestellung in jedem Fall vergessen. Unausweichlich vergessen.
Einzig, wenn man auf diese bakteriöse Influenza angesprochen und gefragt wird, ob man nicht erwäge, sich ebenfalls die Haare blau zu färben und einen breitkrempigen Schlapphut zu tragen, um sich ein bisschen zum „Narrwahl“ zu machen und die Stelle zu kaschieren, wo sich eigentlich ein aufgeweckter Geist befinden solle – da platzt einem dann doch mal die Hutschnur. Man „rezogiert“ gereizt und eine ehrliche Antwort rutscht heraus. Digital oder analog, das sei doch alles „wahlich“ egal. Am Ende geht einem schließlich eh alles am analen Medium vorbei. Auf irgendeine Reaktion auf dieses Wahlergebnis kann man also getrost warten bis man grün wird.
Ein Gedanke zu „Die Qual nach der Wahl.“
Der ach so treffliche Kommentar zur letzten ( oder eigentlich jeder) Wahl unseres Schellenaffen, spiegelt genau das wieder, wie ich und viele andere dieses peinliche Rumgerede unserer sogenanntem „Volksvertreter“ empfinden. Nicht’s genaues weiß man nicht, alles ist gut, einfach jemanden austauschen und weiter geht das große Blablabla!
Aber was kann man eigentlich erwarten ,bekommt eine dumme Wählerschaft nicht auch automatisch eine dumme Volksvertretung? Nach dem Motto, ihr bekommt was ihr verdient!?😉