Raus aus dem Anstrengendsten. Rein in die betagte Welt, von Orthesen und Ostseekuren. Mit sechzig ist man angekommen, im letzten Abschnitt seines Lebens. Alles könnte so schön, so rüstig sein. Man bezieht eine wohlgenährte Rente oder nähert sich unbekümmert und unkündbar dem Renteneintrittsalter. Das mit der Altersvorsorge, dem Abnehmwahn und dieser doch eigentlich sehr anstrengenden Lebensplanung im Allgemeinen hat man hinter sich gebracht. Die Bälger sind aus dem abbezahlten Haus und das Verhältnis zum Urologen ist innig. Man besitzt einen selbstfahrenden Rasenmäher und einen Carport für die B-Klasse.
Wäre da nicht dieser Partner, den man seit grauer Zeit nun an der faltig werdenden Backe hat. Ein Überbleibsel und Zeitzeuge der jovialen Jugendzeit, einer Zeit, in der man noch so richtig wild war und zu Rolling Stones Konzerten ging und rauchte wie ein Kohlekraftwerk. Inzwischen ist der Partner so faltig geworden wie Mick Jagger und die Luft so schlecht wie im Schlot eines Hochofens. Im Alltag ist man nur noch selten zu zweit – Loriot sitzt meistens mit bei Tisch. In Gedanken. Nach vierzig Jahren Ehe gleichen die Gespräche einer Kommandozentrale und drehen sich vorranging um die Sicherung der Nahrungskette, besorgniserregende Wetterphänomene und Probleme mit dem Mobiltelefon. Zwar spinnt das Handy genauso oft wie der Ehepartner, aber trennen möchte man sich von beiden dennoch nicht. Für ein neues Gerät ist es jetzt auch irgendwie zu spät, das/der/die Alte funktioniert ja noch – und man hat sich so sehr daran gewöhnt, dass man auch nicht mehr ohne es/ihn/sie leben möchte.
Um die Akkus aufzuladen, lädt man sodann ein. Ein befreundetes Ehepaar – die in Jahre gekommene, gräuliche Version eines befreundeten Pärchens (siehe auch: Dreißigjährige Pärchen) Zu Kaffee und Kuchen und drei Gängen. Der Besuch erscheint militärisch pünktlich mit einem Strauß Blumen und einer Flasche Rotwein. Die Frage, ob man gut hergefunden habe wird wie so oft nicht einfach mit einem „Ja, sonst würdest du ja jetzt mit einem Geist sprechen“ quittiert, sondern mit einem Kurzreferat über diverse Befindlichkeiten rund um den Zustand der Bundesstraße. Der Ehepartner rollt das erste Mal mit den Augen. Kann er sich denn nicht einmal kurzfassen. Er wird folglich unterbrochen mit einem lautstarken Lob der Tischdekoration. Woraufhin der Hausherr aufgefordert wird zu fragen, was die Gäste gerne trinken würden. Wie ein Dolmetscher, der vergessen hat, zwischen zwei Sprachen zu übersetzen, gibt er die Frage an die Gäste weiter. Und die Antwort (sie gab die Bestellung „Wir hätten gerne einen Kaffee“ für beide auf) zurück an die Hausdame.
Beide Paare denken das erste Mal an diesem Abend: Gott sei Dank sind wir nicht wie die beiden. Es folgen Gesprächigkeiten über die letzte Mittelmeerkreuzfahrt, den neuen Job von der Sandra und irgendwelche Vereine, die das Thema Arbeit seit vielen Jahren schon ersetzt haben. Sie fragt sie standesgemäß nach dem Rezept der tollen Schmandtorte. Komplimente für Äußerlichkeiten gibt man sich schon lange nicht mehr. Was soll man auch sagen? „Toll, du wirst langsamer dick, oder“? Er fragt ihn nach der Leistungsstärke des Gasgrills oder e-Bikes. Es werden ungefragt Bilder der Enkel und mit ihnen Bilder einer Ehe rumgereicht.
Wenn man alles gemeinsam im Leben erlebt hat, wer darf dann darüber berichten? Wer kann der Erzählung des anderen noch interessiert zuhören, wenn er jede Pointe kennt? Ist es pedantisch, den anderen zu korrigieren oder ist es nur präzise und essentiell, wenn klargestellt wird, dass dem Wolfgang auf Sardinien, nicht auf Korsika, der Kellner beinahe beim Rausdrehen des Korkens aus der Chiantiflasche, nicht der Pinot-Grigio-Flasche, ein blaues Auge geschlagen habe. Versehentlich natürlich – glaubt zumindest einer am Tisch.
Jedes „ach, du schon wieder“ und „nein, das war anders“ hinterlässt die Frage, ob mit den Zärtlichkeiten auch der Respekt für den anderen seine Koffer gepackt und nach Sardinien oder Korsika ausgewandert ist? Wann hörte man eigentlich auf, sich gegenseitig zu küssen und stattdessen verbale Korken ins Gesicht zu knallen? Wann war man nicht mehr verknallt, sondern bekam einen Knall?
Während die Korken knallen, wird die Erdbeercreme gereicht. Bis es reicht. Es ist schon spät. Während man irgendwann das Gelage aufräumt, über die Bundestraße nach Hause fährt, fragt man sich, ob man auch so einen Knall hat? Stattdessen stellt man fest „Du musst morgen Fleischwurst kaufen.“
Ein Gedanke zu „Sechzigjährige Pärchen.“
Nun habe ich extra bis Mitternacht ausgeharrt, um mir diesen speziellen Schellenaffe, als Nachtlektüre einzuverleiben!😉 Hier geht es doch um meine Generation und deren Verhalten zu und miteinander! Wie gewohnt hat der Schellenaffe, durch Recherchen und gute Beobachtung 😉,auch hierzu einen humorvollen und ach so wahren ,Beitrag zu leisten!
Ja, wem‘ s zu gut geht, der verliert den Blick auf’s Wesentliche. So könnte man das beschriebene Verhalten manch „alter“ Ehepaare erklären!
Im letzten Drittel des gemeinsamen Lebens sollte man besonders glücklich und verliebt sein, dankbar auch jetzt noch einen lieben Menschen an seiner Seite zu wissen, der einen in und auswendig kennt und der weiß was man braucht wenn’s garnicht mehr gut geht!
Immerhin hat man bei seinen Eheversprechen auch zugesagte, den anderen zu lieben und zu ACHTEN!!! Egal wie nervig er manchmal ist!