Marrakesch – 1001 lacht.

Marrakesh Marokko Atlasgebirge Suqs

Sind wir mal ehrlich: die Welt ist doch eigentlich komplett durchstarbucksisiert und sauber auf Instagram katalogisiert. Wirklich andersartige Flecken findet nicht mal mehr der Jäger des verlorenen Schatzes Indiana Jones. Selbst vermeintlich „exotische“ Reiseziele, bei denen man immerhin noch Gefahr läuft, sich Magenprobleme einzufangen, warten mit kostenlosem W-LAN und „Bitte bewerten Sie uns (und nicht ihren Durchfall) auf Tripadvisor“ auf. Man reist in einer austauschbaren Armada an Backpackern und Bettwanzen, die die gleichen auswendig gelernten englischen Sätzen aufsagt und das ewige Intercontinental Selfiefast bestellt.

Was kann da eine Stadt wie Marrakesh schon bieten, was man in jedem anderen Teil dieser Welt noch nicht gesehen, gegessen oder gerochen hat? Außer einem staubigen Frauenbild, fotofreundlicher Folklore und fieser Menschen, die einen über den Tisch ziehen oder direkt gegen ein Kamel eintauschen wollen?

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Und so taucht man an ein – geblendet von den eigenen Vorurteilen – in eine andere Welt, eine Welt des warmen Lichts, des klaren Himmels und der warmen Erdtöne. Bunt ist das Braun. Beige wirkt der eigene Geist. Man fährt durch ein knatterndes, lärmendes Chaos, das sich Verkehr nennt – ein in eine Stadt wie aus einer anderen Zeit. Eine Stadt zwischen den Zeiten. Eine Stadt zwischen den Welten. Eine Stadt zwischen damals und heute.

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Im Inneren der Stadtmauern wartet ein einzigartiges Netz aus Gassen und Sträßchen auf verwirrte Besucher, die sich krampfhaft mit Google-Maps und Stadtplänen auf Spur halten und von einem Punkt zum nächsten gelangen wollen. Doch Pläne sind hier so hilfreich wie ein Räucherstäbchen auf hoher See. Man begreift schnell: nur, wenn man sich treiben lässt, aufsaugen lässt von den Suqs, von der Geschäftigkeit, von den Gerüchen, von den Farben, von dem für Fremde unverständlichen Chaos, nur dann erschließt sich einem diese Welt. Nur dann wird Marrakesch eine Stadt, die einen Besucher reinlässt – wenn er sich einlässt.

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Anstatt sich über aufdringliche Verkäufer aufzuregen, entdeckt man die Freude am Feilschen und die schwäbische Hausfrau in sich. Anstatt sich über miefende Motorräder in lenkerbreiten Gassen zu ärgern, staunt man über das funktionierende Gewusel aus Esel- und Pferdestärken. Anstatt über die stickige Hitze zu stöhnen, lacht man über Einheimische, die selbst mit Daunenjacke und Socken zu frieren scheinen. Anstatt hinter jedem Minarett einen terroristischen Wecker zu vermuten, fragt man sich, wann man das letzte Mal Kirchengeläut erlebt hat (das auch Besucher angelockt hat). Anstatt sich von alberner Folklore nerven zu lassen, klappert man eben mit eigenartigen Eisenschellen zu dem, was man als Takt der Musik vermutet. Woanders nennt sich das schließlich Waldorfschule.

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Und ehe man sich versieht, fühlt man sich doch noch ein bisschen so wie ein Entdecker in einer anderen Welt. Nur die Selfiestickverkäufer und Gespräche über Bundesligaspielstände sind kleine Risse in dem selbstgemalten Bild des internetlosen Abenteurers und Entdeckers geheimer Gassen. Man trinkt warmen Flüssigzucker mit Minze (oder Minztee), bestellt mit Händen und Füßen etwas am Marktstand, in der Hoffnung, dass es keine Hände und Füße enthält und macht sich über duftende Tajins her, deren Tonhauben feierlich, wie ein Brautschleier, gelüftet werden. Man beginnt Marrakesch und dieses Land zu mögen – mit allen Sinnen.

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Nicht weit entfernt von den Stadtmauern wartet wiederum schon das Atlas-Gebirge auf den geweckten Entdeckergeist. Mit jedem Kilometer, den man sich von der flirrenden Stadt entfernt, taucht man tiefer ein in karge Gebirgslandschaften und einfaches Bergleben. Die eigenen Vorurteile schauen auf die einfachen Steinbehausungen und die harte Feldarbeit. Man verspürt Mitleid und Argwohn für dieses „schau mal, wie die leben“. Und dann lernt man „die“ kennen, wird in ihr Haus eingeladen, trinkt ihren Tee, probiert ihre Kleidung an (warum, weiß man nicht), lernt ihr Leben kennen, redet über Shakira, Maultiere und darüber, dass der Winter und der Regen immer länger auf sich warten lassen, kauft einen Teppich mitten im Wald (gerne mit Kreditkarte), spielt dem eignen Fahrer bayrische Blasmusik vor – und begreift höhenmeterweise: irgendwo auf dieser Welt, denkt jemand „schau mal, wie die leben“ über das eigene Leben. Kulturen, Sprachen, Religionen können anders sein, doch die Menschen, die diese am Leben erhalten, sind am Ende überall doch verdammt gleich.

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Menschen können unterschiedliche Sprachen sprechen und sich am Ende doch mit einem universell verstandenen aufrichtigen Lachen verständigen. Ein Lachen – wie ein Kamel – über Volksmusik, Omas alte Tischdecke auf dem Kopf dieser fremden, westlichen Frau oder Ziegen, die in Bäume gestellt werden, um Touristen ein paar Münzen aus der Tasche zu locken.

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Und so reist man heim mit einem Koffer schwer gefüllt mit Eindrücken, Erinnerungen und Erlebnissen. Mit Teppichen und anderer Beute, die einen mit dem Gedanken liebäugeln lassen, in der Heimat überteuerte Verhandlungstrainings anzubieten. Mit einem Koffer, der aber vor allen Dingen erleichtert ist um staubige Vorurteile und den Zweifel, in dieser Welt nichts mehr entdecken zu können. Denn erst am Ende einer besonderen Reise entdeckt man ihn erst wieder, den Starbucks am Flughafen.

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Ein Gedanke zu „Marrakesch – 1001 lacht.

  1. So,nun hab ich diesen Schellenaffen, auf den ich eigentlich schon gewartet habe,in Ruhe gelesen! Darum erst jetzt der Trippel B. Kommentar 😊!
    Ja so ist das, wenn man(n)/ Frau eine Reise tut, kann man(n)/Frau hinterher was erzählen!! Oder hat einen ganzen Koffer voll Vorurteile in die Wüste, das Gebirgstal, den Kanal oder in die Grachten geschmissen!
    Dann war es eine gute Reise! Der Reisende war offen, neugierig, suchend und überrascht, später dann sogar begeistert, ob des Landes oder der Stadt die er bereist hat. Denn nicht von ungefähr heißt es schon bei Goethe, Reisen bildet und lässt den geistigen Horizont weiter werden! Denn arm ist der, der sich nicht auf Neues,Unbekanntes und Anderes einlässt,egal ob es 1000km entfernt oder nur im anderen Stadtteil liegt! Denn die Menschen sind überall gleich mit Vorurteilen behaftete und nur wer sich auf einander zubewegt lernt Wunderbares, Erstaunliches, Verrücktes und manchmal auch Erschreckendes kennen! Und nimmt dies mit in seine Welt, nur mit ganz neuen Blick auf sein Leben! Reisen ist so schön und bereichernd…..und es muss garnicht Marrakesch sein 😉👍!

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