Was ist der Unterschied zwischen einem Spaziergang und einer Wanderung? Schnell sinniert man über Höhenmeter, Bodenbeschaffenheiten und Kilometerentfernungen. Doch am Ende sind dies alles alberne Nebensächlichkeiten. Banalitäten, die einen weder bergauf noch bergab oder an irgendein Ziel bringen. Der wesentliche Unterscheidungsfaktor hat nichts mit dem Gewand des Terrains an sich zu tun: ein Spaziergang unterscheidet sich von einer Wanderung einzig und ausschließlich durch die Wahl der Garderobe der sich bewegenden Objekte.
Sind Spaziergänger in der Regel lediglich mit einem Hausschlüssel und irgendwas an den Füßen ausgestattet, erkennt man Wanderer an der knisternden Grundstimmung: dem Rascheln ihrer Funktionskleidung. Die Be- bzw. Verkleidung besitzt mehr Adjektive als eine Travestie-Show. Atmungsabweisend, windaktiv. Die Wassersäule entspricht in der Regel der Kilometerentfernung der Tagesetappe. Die Oberbekleidung „ist so vielseitig wie deine Ideen“ (Quelle www.globetrotter.de). Was das bedeutet, keine Idee. Es funktionskleidungiert eben.
Der Wanderer selbst ist ein wandernder Reißverschluss: alles an ihm hat Zähne. Hosenbeine, Ärmel, Bauchgurte. Nicht fehlen darf ein Reißverschlusssack auf dem Rücken des Wanderfreundes. Dieser ist gefüllt mit Energieriegeln, Landkarten, Regenponchos, Fallschirmen, einem Trinkwasserreservoir, den Unterlagen für die Steuererklärung und einem kleinen Elefantenbaby. Man kann ja nie wissen, was einen auf dem Weg alles erwartet. Das Schuhwerk erinnert an alte Mafia-Filme. Man denkt unweigerlich an einbetonierte Füße. Um sich wiederum auf den schweren Beinen halten zu können, greift der Wanderer zu stabilisierendem Stockwerk, welches ihm die Optik einer besonders farbenfrohen Marionettenpuppe verleiht. Und so stöckelt er zügigen Schrittes voran, vorbei an Bremsern und Bummlern, immer zielstrebig und auf alle Witterungen und Widrigkeiten eingestellt. Arktische Eisstürme, monsunartiger Regenfall, tropische Hitze – er ist vorbereitet, der Wanderer in der Krefelder Fußgängerzone.
Er vergeudet keine Zeit durch Kaffeepausen, sondern schlürft unter seinem Regenponcho einen Schluck sich stetig verdünnenden Tee aus der Thermoskanne. Erstickt er in der überfüllten U-Bahn, atmet seine Kleidung für ihn weiter. Im Drogeriemarkt spießt er treffsicher eine Packung Blasenpflaster mit seinen Wanderstöcken auf. Kurz vor der Ladenschlusszeit findet er – das invertiere Beuteltier – das passende Kleingeld in seinem rückwärtigen Speichermedium. Er, der komische Wandervogel, ist wirklich jedem Spazierhirn überlegen. Bis zu jenem Moment, da er bemerkt, dass er etwas Entscheidendes vergessen hat: seinen Hausschlüssel. Da bleibt ihm nur noch eines: auswandern.
Ein Gedanke zu „Zum auswandern.“
Diese Spezie Mensch kenn ich! Was ja nicht immer der Fall ist, bei manch einer Story des Schellenaffen 😉! Aber den Wanderer erleben wir auch überall….wo wir ihn nicht vermuten und erwarten. Auch dort wo ich gerade weile! In Dresden läuft oben beschriebene Typus gerne in der Shopping Galerie, im Zwingergarten, in der Schlosskirche in diversen Sehenswürdigkeit herum, sogar in der Oper wurde er/sie gesehen. Dort etwas getarnt, mit Stoffhose ,die die Wanderschuhe versteckten und vom Überlebens Rucksack wurden sie an der Garderobe getrennt. 😊
Aber Gott sei Dank konnten sie nach der Vorstellung ihr Notfall Equipment voll nutzen….draußen stürmte und regnete es! 🤣