Immer schön locker bleiben. Und wer es nicht ist, möge es schnell werden. Allen voran gilt dies für verspannte Ministerpräsidenten mit Geltungsbedürfnis und Oppositionspolitiker, die merken, dass sie weniger systemrelevant sind als gemeinhin gedacht. Getreu dem Motto „was interessiert mich mein Geschwätz von heute Morgen“ gibt man sich daher plötzlich so locker, wie die Maske im Gesicht hängt. Gemeinschaftliches Vorgehen sei natürlich wichtig, aber wenn die anderen dem eigenen Vorgehen nicht folgen möchten, dann geht das eben nicht. Ist ja logisch. Mit den gegenseitigen, unmaskierten Schuldzuweisungen kehrt somit ein Stück Normalität in das politische Deutschland zurück. Und das ist den Bürgern doch so wichtig. Wie beruhigend.
Und so scheint jedes Bundesland zwar kein Desinfektionsmittel, aber die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Ein jedes sucht sich einen Wochentag im Mai und mindestens einen kleinen Coup aus, den es von anderen, ach so unlockeren Bundesländern unterscheidet. Dabei scheint die Regel zu greifen: je kleiner das Bundesland, desto größer ist die Kreativität bei der Ausgestaltung von Lockerungsübungen. Das drollige Rheinland-Pfalz hat sich zum Beispiel überlegt, Campingplätze zu öffnen. Also nur für Dauercamper. Und nur wenn sie eigene Sanitäreinrichtungen bei sich führen. Wenn sie also mit einer Anhängerkupplung ihre Zahnzwischenräume reinigen ab nach, na in diese eine Stadt in Rheinland-Pfalz. Dabei ist doch, wenn man ehrlich ist, ganz Rheinland-Pfalz ein Dauercampingplatz. Wirklich wohnen möchte man da doch eh nicht.
Das vermeintliche „Dunkeldeutschland“ geht ähnlich lichtundurchlässig vor: in Sachsen-Anhalt dürfen ab nächster Woche Ferienhäuser und -wohnungen vermietet werden. Aber nur an Einheimische. Corona verursacht nicht nur Probleme beim lockeren Atmen, sondern auch beim knotenfreien Denken.
In Hamburg scheint man die Sache aber sauber durchdacht zu haben. Man holt nur die besten, leistungswilligsten Schüler zurück in die Schulen, also diejenigen, die eine anspruchsvolle Denksportaufgabe lösen können: „So werden in der Woche ab dem 27. April die Klassenstufen 9, 10 und 13 der Stadtteilschule, 10 und 12 der Gymnasien, 9 und 10 der Regionalen Bildungs- und Beratungszentren sowie die Abschlussklassen der Berufsbildenden Schulen erste Präsenzangebote zur Vorbereitung auf die Abschlussprüfungen bekommen. Eine Woche später beginnen die Unterrichtsangebote für die Klassenstufe 4 der Grundschule, die Klassenstufen 6 und 11 der Gymnasien sowie die Klassenstufe 12 der Stadtteilschulen.“ (Quelle: https://www.hamburg.de/bsb/13862594/2020-04-17-bsb-schuloeffnung/). Wer die Frage beantworten kann, ob und wann er wieder in die Schule gehen darf, der darf in die Schule gehen.
Es sei denn, er war kürzlich in einem Geschäft mit mehr als 800qm Fläche und hat sich dort die Augenbrauen zupfen lassen. Das ist verboten. Getrimmtes Haupthaar ist systemrelevant, aber Augenbrauenbewuchs ist ein Hygienefaktor. Denn wenn man in seine Maske hustet, verfängt sich alles (Viren, Virologen, Vanillamilchshakes) natürlich als erstes in dichter Augenbrauenbeborstung. Um sich seiner Gesichtsbehaarung zu entledigen, muss man sich demnach im Gesicht tätowieren lassen, denn hierbei wird die zu gestaltende Fläche vorab gründlich rasiert. Als Motiv eignet sich beispielsweise ein Mundschutz. Oder man versucht sein Glück in einem Hundesalon. Die sind in den meisten Bundesländern wieder geöffnet. Menschenkörpernahe Dienstleistungen werden jedenfalls weiterhin stark reglementiert, also Brauenzupfen und Bordellbesuche. Da ist das mit den 1,5m auch.. ach egal. Jedenfalls ist der Hundesalon vielleicht eh die bessere Wahl: Friseuren mit maskiertem Sichtfeld, welche seit zwei Monaten damit beschäftigt waren, ihre Hecken zu schneiden, sollte man vielleicht nicht allzu unmittelbar ans Haupthaar lassen. Wer ohnehin kein Haupthaar mehr besitzt, darf sich in Berlin zu Wasser von den Strapazen erholen: Schifffahrten mit offenem Verdeck sind hier wieder erlaubt.
Doch immerhin die Frage der Kinderbetreuung scheint endlich eindeutig geregelt: Ikea macht wieder auf. Welch Erleichterung. Bald darf man sogar wieder diese leckeren Hackbällchen aus aussortierten Holzdübeln verspeisen. Wenn man öffentliche Verkehrsmittel meiden möchte, dann empfiehlt es sich einfach, den Führerschein noch einmal zu machen und sich von A nach B zu fahren. Oder man fährt in Nordrhein-Westfalen einfach ein bisschen Achterbahn. Dabei hat man meistens auch nicht das Gefühl, in der gleichen Ausgangslage wieder auszusteigen. Und irgendwie hat man dieses Gefühl des freien Falls so lieb gewonnen wie den Söder, Markus aus Bayern. Mit seiner Karokatur im Gesicht.
Neben kontaktarmem Sport, wie schreiend Weglaufen oder Einkaufswagenrennen, wird nun jedoch vor allem eines empfohlen: um die gebeutelten Staatskassen zu füllen picknicken sie bitte im Park. Das bringt 250€ pro Anwesendem in die leeren Kassen und den Blutdruck nach der kontaktarmen Unsportlichkeit wieder etwas in Schwung. Über Geisterspiele von 22 Millionären kann man sich schließlich nicht ewig aufregen.
Beachten Sie vor allen Dingen etwaige neue Regelungen und Verbote, die so plötzlich kommen können wie Corona selbst. Die zweite Welle kommt so gewiss wie Verschwörungstheoretiker derzeit an ihrer (V)Erklärung arbeiten. Eine Vielzahl an Lebensbereichen wird erst noch von der Wucht der Sicherheits- und Hygienekonzepte erfasst werden. Es ist beispielsweise damit zu rechnen, dass in Betriebsrestaurants nur eine angemessene Anzahl an Sättigungsbeilagen zugelassen sein wird. Ebenso dürfen Erbsen und Möhren sich nicht mehr berühren (der Schellenaffe bereitet eine Petition für die Staatsrettung von Mischkonservenherstellern vor). In Kindertagesstätten ist zu erwarten, dass nur noch Kinder zusammen spielen dürfen, deren Vornamen die gleiche Anzahl an Buchstaben aufweist. Tom und Ben dürfen also miteinander spielen. Tom und Jerry nicht. Ben und Jerry ebenfalls nicht. In Clubs und Discotheken wird es durch Insolvenzanträge abgesteckte, 1,5m mal 1,5m große Tanzbereiche geben, die man sich für einen Abend mieten kann. Die Getränkeversorgung findet steril und effizient per Bierdusche statt. Und wenn schließlich bei Vollmond der kleine Bär 1,5m vom großen Wagen entfernt ist, dann öffnet sich irgendwann etwas: die Augen und man denkt „schön locker bleiben bei dem Theater“. Doch leider darf man nur in Schleswig-Holstein bei diesem Theater mitspielen: hier sind Theaterproben wieder erlaubt. Ab dem 18. Mai. Ein Montag. Wenn das kein Grund zum lockeren Scheppern ist.
2 Gedanken zu „Öffnungszeiten.“
Wenn es mir bis gerade schwer fiel ,ob all der Lockerungsübungen unserer Landesregierungen, locker zu bleiben, dann hat mir das Lesen des Schellenaffen dies gerade kolossal erleichtert!!!
Nach dem morgendlichen „Früh Einkauf“ und der damit verbundenen Beobachtung der Mitmenschen🙄, war diese Viertel Stunde Schellenaffe einfach nur herzerfrischend, wohltuend, tiefen entspannend und zum schlapp lachen! Der Ernst der Lage in ganz Deutschland wurde wieder mal auf die unverwechselbare Art des Schellenaffen auf’s richtige Mass gebracht! So ist wenigsten der Montag gerettet! Ach nein, auch der Mittwoch da darf ich zum Frisuer und der Freitag da, so das Wetter mitspielt, darf ich mit Sohn und Enkel unter den bekannten Hygiene und Sicherheits Regeln, spazieren gehen .Denn jetzt dürfen ja Menschen aus zwei Haushalten gemeinsam was tun! Nämlich schön locker bleiben und sich gemeinsam auf den nächsten Montag freuen! Denn “ Monday is the greatest Day“ !!!
Wer gut gelockt hat, muss zu gegebener Zeit auch wieder gut lockern, da versteht das Grundgesetz keinen Spaß – „alles andere“ (ob föderalistische Geplänkel oder Ungereimtheiten) „ist“ mit den Worten von Rolf Miller „primär“. Und da niemand die Weisheit in Sachen Corona gepachtet hat (selbst bei ARD und ZDF gibt es keine „Coronaexperten“), ist mir kreative Vielfalt lieber als zentral verordnete Einfalt.