Nur das Nötigste

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Ein Umzug berührt. Und zwar alle Dinge, die man besitzt. Wirklich alle. Vom Gefrierbeutel bis zur Skiunterwäsche. Vom Salzstreuer bis zum Zuckerhut. Von der Fußmatte bis zur Deckenlampe. Nichts bleibt unberührt. Denn nichts darf zurückbleiben. Außer vielleicht den Flusen im Abguss und Konfettiresten auf den Küchenschränken. Ob beim Ein- oder Auspacken, irgendwann fasst und schaut man jedes dieser Dinge an und fragt sich, ob man dieses Buch noch mal lesen oder jenes Tchibogerät jemals benutzen wird. Man beginnt zu verschrotten, verkaufen – oder verschenken. Manches Mal indem man besonders gut erhaltene Nutzlosigkeiten einfach an die Bordsteinkante stellt. In der Hoffnung, dass sie ihre Nutzlosigkeit überwinden und einen neuen Nutznießer finden werden. Und so ergibt es sich, dass man in der Abenddämmerung durch die Straßen läuft und sich seinen Weg bahnt zwischen Töpfen, die ihren Deckel suchen, und Vasen, in denen sich der Regen sammelt. Weggespült wird der Nippes von Passanten. Immer. Bis sie umziehen und ihn erneut ausspucken. An einer anderen Straßenecke. Ein ausgeklügeltes Mehrwegsystem.

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Doch warum häuft man so viel Zeug an, dass eine ganze Umschlagwelt an Straßenabfällen existieren kann? Eine Vorahnung der Antwort bekommt man an jenem Ort, an den man einzieht, wenn man umzieht: im Baumarkt. Dieser Ort, an dem man nichts findet, was es nicht gibt. Der Ort, wo man einen Anker kaufen, Luftbe- und entfeuchter gleichzeitig erwerben, und Splinte, Pappbuchstaben und Bitumen-Dickbeschichtung bewundern kann. „Wie“, „wo“, „was“ sind die Fragen, die sich die Besucher im Baumarkt stellen (sollen). Wie viele „Warum“ fragen angesichts 257 „verschiedener“ Varianten an Eimern für weiße Farbe weiß niemand. Wem die Auswahl so beschränkt wie ein Holzkohlegrill ohne eigene App und Drehspieß-Vorrichtung erscheint, der kann sich sein eigenes Weiß notfalls zusammenmischen lassen. Mit der Geschmacksrichtung Oma´s Gebiss im Morgentau.

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Und doch stecken hinter diesen unterschiedlichen 257 Weißen Hersteller, die davon leben können. Wie wo was weiß der Geier warum. Warum gibt es unendliche viele Geschmacksrichtungen für Chips, Müsli und Riesling aus der Pfalz? Warum gibt es mehr Nagellackfarben als Zehen und Finger? Warum gibt es mehr Gläser als Trinkanlässe? Warum gibt es so viel vom Gleichen, das aber nicht dasselbe ist? Und warum besitze ich so viel von dem Gleichen, das nicht dasselbe ist? Das fragt man sich, wenn man umzieht und dieses viele vom Gleichen als Last auf seinen Armen spürt und sich fragt, ob man nicht einen Tragegurt gebrauchen könnte. In der Farbe Radieschen im Morgentau. Am besten gleich zwei, falls der andere mal kaputt geht.

Woher kommt dieses Überangebot an allem, das eine Übernachfrage an allem nach sich zieht? Oder bestimmt die Nachfrage wirklich das Angebot, wie uns die Zigaretten-, Mineralöl und Nippesindustrie glauben machen möchte? Sind wir es, die den Duschabzieher in der Farbe des Hornhauthobels wirklich wollen und partout keinen Duschabzieher kaufen, bis er nicht in der gewünschten Farbe „besinnliches Morgengrauen“ erhältlich ist? Wir sind anscheinend„der Markt“, von dem die Dame vor der Tagesschau immer berichtet. Und damit Grund dafür, dass es keinen einzigen Gegenstand nur in einer einzigen Ausführung gibt. Wirklich keinen. Nirgendwo. Niemals. Und wir sind der Grund, warum irgendwo auf dieser Welt gerade jemand an der „Weiterentwicklung“ von Duschabziehern forscht. An ergonomischen Griffen, Nano-Oberflächen und LED-Beleuchtung.

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Ein erster Schritt, um diesen Irrsinn an sich abperlen zu lassen, wie ein Duschabzieher der Zukunft, könnte sein, nur noch das zu kaufen, was oben rechts im Regal (oder Onlineshop) steht. Die Nudelsorte. Das Duschgel. Das Herrenhemd. Alles andere wird links liegen gelassen. Denn dieses Produkt oben rechts hat ja heute schon eine überzeugte Käuferschaft. So schlecht kann es ja dann nicht sein. Wenn das alle machen, gibt es bald von allem nur noch das Nötigste. Und wir essen kollektiv Dinkel-Penne, duften nach „Sternfrucht und Melone“ und tragen weiße Hemden in XXL. Bequemer als einen einfachen Eimer weiße Farbe im Baumarkt zu kaufen, kann dieses Leben eigentlich nur sein.

2 Gedanken zu „Nur das Nötigste

  1. Da ist er wieder! Der erste Montag im Monat! Und der Schellenaffe ist pünktlich präsent! Aus gegebenem Anlass mit einem Artikel über das sinnlose Ansammeln von sinnlosen Sachen. Oder, vielleicht auch nur sinnlos gewordenen Dingen. Denn am Anfang allen sinnlosen Übels war der Wunsch dies oder jenes unbedingt zu besitzen! Hat man es dann….vergeht die Zeit und dieses „Etwas “ wird bedeutungslos und verschwindet im Schrank….bis zu dem Tag…an dem wir umziehen und alles wird in Frage gestellt und landet…irgendwo ( Ebay, Stasse, Müll, Secondhand ) Platz und Raum entstehen! Glück über das Wenige was Mehr ist! Bis der Wunsch nach etwas, was unbedingt gebraucht wird wieder da ist….und das Spiel beginnt von vorne! Glücklich der, der nie umzieht….da lösen dann die Erben das Problem!😊

  2. Unterwegs, wie zur Zeit in Thüringen, merken wir mit wie wenig wir eigentlich auskommen. Dem unnützen Zeug könnten wir ein Schnippchen schlagen, indem wir es fotografieren (Handy reicht), archivieren und dann wegwerfen – aber halt, das macht nur mehr Müll, also verschenken, aber wer will es
    haben – also hilft nur weniger kaufen …

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