Zwischen Angst und Schmecken. 

Toscana Genuss Rotwein Pizza Essen Eis Kaffee

Das sollte es werden:

Das Auge ist schnell satt. Gedeckt sind die Farben, schrill die Touristen, gewohnt die Kulissen. Zwischen altem Gemäuer und stummen Hügellandschaften wandert der Blick durch vertraute Postkarten. Alles scheint vorhergesehen. Selbst imposante Gesten der lokalen, sprechenden Gemeinde gleichen einer einstudierten Parodie eigener Vorurteile, die stets mitreisen in die Ferne. In dieser Ferne, in der man hofft, der Nähe der eigenen Sicht auf die Welt zu entkommen. Nein, die Toskana erlebt man nicht mit den Augen. Wer sie versucht zu sehen, bleibt blind. Für den ungefilterten Blick.

Sprudelnd und zischend steht die Kanne auf dem Herd. Wie ein brodelnder Vulkan. In ihr tobt das dunkle, heiße Etwas, das nun umgefüllt wird in Thermoskannen. Ungefilterter Espresso. Kannenweise. Der toskanische Gaumen kennt keine Kompromisse. Und so beginnt ein toskanischer Tag mit starkem Herzklopfen. Und Kuchen. Süß und sinnlich. Dazu süßer Saft, süße Marmelade, süßes Gebäck. Als wäre man im überzuckerten Traum eines Kindes erwacht. Süßigkeiten zum Frühstück!Und helles Brot ohne das Versprechen, irgend etwas Gutes zu bewirken. Starke Knochen, gesunde Haut oder Darmkontraktionen. Nichts. Einfach nur Brot. Mit irgendwas dazu, das salzig und verwegen schmeckt. Und selbst wenn die Kiwi aus Neuseeland kommt, schmeckt sie hier nach mehr.

Nein, wer die Toskana erleben möchte, muss die Augen schließen und den Mund öffnen. Biss für Biss offenbart sich eine Welt fernab von Nährstofftabellen und Sättigungsbeilagen. Brot und Olivenöl. Gegrilltes Gemüse. Geschmortes Fleisch. Knusprige Pizza. Und über allem schwarzer, aromatischer, wohliger Trüffel. So einfach und doch so darin-baden-wollen. Dazu gibt es dunkle, wohlklingende Weine. Und zum Nachtisch ein paar Cantuccini, die man in Dessertwein erweicht, oder Tiramisu, das am Ende alles erweicht.

Toscana Genuss Rotwein Pizza Essen Eis Kaffee

So unvorstellbar es ist, Omas alte Butterkekse in Korn zu dippen, so sonderbar erscheint einem das eigene Essverhalten bis zu diesen Bissen. Warum Remoulade, warum „Nein, danke eine Cola light“, warum Tiefkühlpizza? Und so lädt man den Kofferraum voll mit klimpernden Urlaubserinnerungen, in der Hoffnung irgendetwas – außer ein paar Pfunden mehr – mit zu nehmen nach Haus an den heimischen Esstisch.

Das wurde es:

Wut. Unverständnis. Todesangst. Spätestens wenn man auf dem Standstreifen hupend überholt wird, rutscht es einem raus:„Die haben hier wohl alle die Ravioli offen!“ Italiens Straßen sind irgendwas zwischen Panik auf der einen und „Attacke!“ auf der anderen Seite. Abstand hält der Italiener höchstens zum Blinker oder dem Bremspedal. Kurven erachtet er als den perfekten Ort zum Beschleunigen im Gegenverkehr und Mittelstreifen weisen ihm den Weg. Vorausschauendes Fahren wird in dieser Apokalypse der Straßenverkehrsordnung als zielgerichtetes Überholen zu jeder Zeit verstanden. Vergeblich sucht man als einziger irgendwas im toten Winkel – sei es eine Polizeistreife, die all diese Missetaten ahndet – während sich Bandscheiben und Stoßdämpfer in einer Leidensgemeinschaft durch Schlaglöcher, Bodenwellen und Risse aller Art kämpfen. Spätestens wenn die Straße in einem Flussbett endet, sehnt man sich nach großzügigen EU-Geldern, die all die Unebenheiten stopfen und Fahrschulen fördern mögen. Koste es was es wolle.

Und so betet man dafür, dass all die Kostbarkeiten im Kofferraum das Ziel „StVO“ unbeschadet erreichen mögen und gelobt hernach immer bei Gelb zu bremsen und der Dreißig stets zu huldigen.

Doch alsbald auf dem Brenner verbindet man das eine mit dem anderen und begreift: Wer so ungezügelt genießt hat kein Geld für Straßen. Keine Zeit für Langsamkeit. Keinen Glauben an Regeln und Gesetze.

Oder ist eben einfach völlig überzuckert unterwegs im Straßenverkehr.

Ein Gedanke zu „Zwischen Angst und Schmecken. 

  1. Ach herrje! Da kann ich als Fan des Schellenaffen nur beten das selbiger gesund, voller sinnlicher Eindrücke ,wieder auf Deutschen, Schweizer oder Österreichischen Straßen ankommt ! Aber im Prinzip ist das Fahren durch dieses Land nur die Arbeit vor soviel Genuss….Pasta, Pizza, Trüffel oder Gemüse Dolce oder Vino alles tröstet über das erlebte (überlebte) hinweg!  In bella Italia!!

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