Erschütterungen.

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Irgendwie hat man sich diesen Moment anders vorgestellt. Triumphal und doch ein bisschen gleichmütig. Lange ersehnt und doch unbemerkt. Es sollte ein besonderer Tag sein: der Tag, an dem Corona in den Nachrichten keine Erwähnung mehr findet. Der Tag, an dem die Pandemie ihre Relevanz verliert und damit ihre Berichterstattung – rund um den Buchstaben G und allerhand Zahlen – endet. Es sollte ein besonderer Moment sein.

Besonders war der Moment.

Alle anderen Vorstellungen von diesem Tag der Befreiung sind mit den ersten Bomben, die fielen, zu Asche verfallen. Es war ein Tag, der den Boden beben ließ und die Welt erschütterte. Jene Pandemie, die uns zwei Jahre lang bis ins Mark erschütterte, existiert weiter, aber das rührt derzeit niemanden. Karl Lauterbach bemüht sich gewiss noch um die Eindämmung dieser aufrüttelnden Seuche, wenngleich er sich wundern dürfte, dass Maybrit und Markus nicht mehr bei ihm anrufen. Geredet wird weiterhin viel, aber nicht mehr über den Kampf gegen ein Virus, sondern über Krieg. Das Wort, das wir verlernt haben zu benutzen und verstehen, ist zurückgekehrt. Die Epidemiologen sind den Generälen a.D. gewichen, die uns die Regeln und Prinzipien der Kriegsführung erklären. Die zwischen Kriegsverbrechen und Krieg als Verbrechen zu unterscheiden wissen. Die erklären, wie man im Krieg töten darf und wie nicht. Die ruhige Worte finden für das Unbeschreibliche.

Doch uns Zuschauenden fehlen die Worte. Nicht, weil wir nicht genug Worte besäßen. Es sind zu viele Worte und Gedanken, die sich gleichzeitig in einem lauten Schrei Bahn brechen wollen. Brüllen und trommeln möchte man. Was bleibt ist Sprachlosigkeit. Markerschütternde, ratlose Stille. Wieso wir auf einmal über Frieden verhandelt, wenn er eine Selbstverständlichkeit war?

Menschen leben in der Kälte ihrer Keller. IT-Berater greifen zu den Waffen. Kinder werden in U-Bahn-Schächten geboren. Die Ausläufer des Patriarchats trennen Frauen von Männern, die zu Kämpfern werden.  Die Welt schaut erstarrt zu und hüllt sich in gelb-blaue Flaggen. Sie dreht die Heizung herunter und spendet Waffen, Decken und ein Obdach. Die Welt hilft beim Töten, um zu überleben. Geschlossen und ebenso ratlos tritt sie einem Tyrannen entgegen, der neben einem starken Willen und einer verdrehten Wahrnehmung eben leider vor allem eines besitzt – und braucht: Macht.

Man wünscht dem Tyrannen einen Schuss in jenen Kopf, in dem unverständliche Gedanken zu grausamen Vorhaben werden. Eiskalt und gnadenlos. Doch damit lyncht man die Werte, die man verteidigen möchte. Und so blickt man in jenes Gesicht, das der Zerstörung gleicht, die es anordnet und fragt sich ohnmächtig: Warum?

Darauf gibt es keine Antwort. Das Suchen nach Erklärungen führt uns in die Vergangenheit, die es nicht mehr gibt. Auf die Frage, was man selbst im Hier und Jetzt tun kann, gibt es hingegen mehr Antworten, als man befürchtet. Ein Zimmer, einen Euro oder eine Stimme spenden. Und begreifen: Krieg gibt es immer auf der Welt. Er ist nicht erst wieder da, seit er nah ist. Er war nie weg. Frieden hat seinen Preis, den wir nun lernen zu zahlen. Es sind nicht 2,039€ /l. Nicht nur.

Krieg ist der Virus, den wir ein Leben lang bekämpfen werden müssen. Indem wir hinschauen und laut sind. Auch dann noch, wenn uns die nächste Katastrophe erschüttert und der Tag kommt, an dem der nahe Krieg fern ist und die Nachrichten verstummen. Denn dieser Tag ist bereits jetzt Realität. Wenn man in Russland lebt.

2 Gedanken zu „Erschütterungen.

  1. Kriege gab es immer, wenn auch nicht immer so nah und fast ausweglos wie dieser. Fragen sind zu stellen, auch wenn wir die Antwort nicht wissen, z. B. die nach dem Pazifismus, lässt sich Gewalt ganz ohne Gegengewalt überwinden …wie von selbst kommt der ketzerische Gedanke, dass unsere Bundeswehr die einzige pazifistische Armee der Welt ist: Mit ihr kann alles gemacht werden nur kein Krieg und ich weiß nicht ob ich mich darüber freuen soll …

  2. Sprachlos, fassungslos, erschüttert und wütend! Ja, das sind die Worte die nicht nur den Beitrag des Schellenaffen prägen. Es ist das , was uns alle in dieser Zeit beschreibt. Das der Schellenaffe jemals zum Thema Krieg in unserer unmittelbaren Nähe schreiben wird, gehört für mich zu diesen unfassbaren Momenten dieser Zeit! Wir dachten doch das dieses Thema uns nie wieder beträfe! Nun sehen wir Bilder und hören Berichte,die mich an die Erzählungen meiner Eltern und Großeltern erinnern. NEIN!! Das kann nicht sein! Dafür geh sogar ich auf die Straße! Spenden und Verbundenheit zeigen mit diesem geschundenen Volk ist das was wir tun können. Und, wie schon zu den Höhepunkten der Pandemie , die Hoffnung und die Zuversicht nie aufgeben. Auch wenn es noch so schwer fällt! Der Wille der Welt ( bis auf 4 Ausnahmen) muss es doch schaffen,diesem Wahnsinn ein Ende zu bereiten!!

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