Wau – wenn ihr nicht werdet, wie die Tiere.

Hund Vermenschlichung Haustiere Verkleidet Hund mit Hut Hund mit Fliege

Ein lauter Ruf hallt durch die Büsche und Bäume des Stadtparks. „Karla-Sophie, komm doch bitte. Wir möchten nach Hause gehen!“ Doch der Ruf verhallt ohne eine Regung oder Bewegung. Karla-Sophie kommt nicht. Karla-Sophie möchte nicht.

Karla-Sophie uriniert stattdessen neben die Rutsche des Spielplatzes und knabbert danach ein Stöckchen an. Karla-Sophie ist kein süßes 5-jähriges Mädchen mit Schleife in den Haaren und dreckiger Latzhose. Karla-Sophie ist ein Beagle. Eine Schleife ist auf die Distanz hin im schon leicht ergrauten Fell nicht zu erkennen – aber auch nicht auszuschließen.

Hunde heißen nicht mehr Balu, Rex oder Wuschel, sondern Emma, Ashley oder Karla-Sophie. Seit wann ist diese neue Stufe der Vermenschlichung zu beobachten?

Seit Hunde in Betten statt in Hütten schlafen. Seit Katzen von Tellern statt aus Mäuselöchern fressen. Seit wir Konjunktive statt Befehle verwenden. Seit Haustiere endgültig keinerlei Funktion mehr haben als menschliche Nähe – in der Regel in Form von Partnern oder Kindern – zu ersetzen. Sie bewachen, transportieren oder ernähren uns nicht mehr. Sie sind einfach nur da – um da zu sein. Diese Form der „Nutztierhaltung“ und Erkenntnis ist nun wirklich nichts Neues. Neu ist das mittlerweile philanthropische Ausmaß der tierischen Liebe in unserer heutigen Gesellschaft. Tiertherapeuten, Katzenorthopäden, Hundekrankenversicherer und Hersteller von Tierbedarfsartikeln erfreuen sich steigender Umsätze. Nichts ist zu teuer, albern oder umständlich für den eigenen Vierbeiner, Kaltblüter oder Federnfreund. Glitzerndes Huffett für mehr Einhorngefühl beim Ausritt, strassbesetzte Halsbänder für mehr Glamour bei der Gassirunde, Terrinentorte für Terriers 5. Geburtstag, Stimmungsaufheller für den Sittich oder Zahnpasta, damit Karla-Sophie auch morgen noch „kraftvoll zubeißt“ – für unseren tierischen Freund tuen wir mitunter mehr als für unsere direkten Artverwandten. Wie könnte es anders sein, selbst Tchibo weiß es erneut diesen Trieb des modernen Menschen auszunutzen und bietet Kapuzenpullover für modebewusste Hunde, ferngesteuerte Spielmäuse für technikaffine Katzen oder Hundepools für die Delfintherapie zwischen Hund und Halter.

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Doch bei aller Haustierliebe, militanter Aufrüstung und Namensvielfalt beginnen wir scheinbar eines schleichend zu vergessen: dass der Lebenspartner, den wir hier gewählt haben, sich gerne in der Öffentlichkeit an deplatzierten Stellen leckt, sein eigenes Spiegelbild nicht erkennt oder sich vor Plastiktüten und Regenschirmen erschrickt. Diese feinen Tatsachen sollte man vielleicht nicht unter den mit Fellbüscheln unterspülten Teppich kehren und sich stattdessen fragen: macht es Sinn mit jemandem Geburtstag zu feiern, der sich seiner eigenen Existenz, geschweige denn seines eigenen Alterungsprozesses nicht bewusst ist? Nur so ein ganz unvoreingenommener, kafkaesker Gedanke.

Aber nun zur viel wichtigeren Frage: was machen wir mit den unzähligen vom Aussterben bedrohten Tiernamen? Möchte man diese Artenvielfalt leichtfertig auf dem Hundefriedhof oder in der Biotonne begraben? Nein, wir sollten ihnen als Form des nachhaltigen Recyclings eine neue Würdigung zukommen lassen. Wir sollten sie wiederverwenden. Egal für wen oder was. Die Vielfalt, Einzigartigkeit und Bilderwelt, die sich eröffnen, sind überwältigend. Vor Aufregung möchte man direkt selber auf den Wohnzimmerteppich nässen.

Wie herrlich haarig wäre es, wenn Garfield Gottschalk, Janosch Jauch oder Piggy Klum unsere Lieblingssendung moderieren würde. Wenn Bello Müller Bällen hinterherjagen und Tore schießen würde. Wenn Lori Fischer Lieder zwitschern würde. Wer möchte nicht Black Beauty aus Oberursel oder Flipper aus Köln-Nippes kennenlernen? Wer sich zu Edlerem und Individuellerem berufen fühlt, benenne sich gerne nach einem potenten Rennpferd oder Zuchthengst. „Hallo. Ich heiße Totilas und entstamme aus einer Donnerhall-Mutter“. Wem das wiederum zu hochtrabend ist, dem sei ein schlichtes Hansi, Flinky oder Tweety angeraten. Tschiep, ist das toll.

Selbst die Politik könnte hier weiter an Schwung (s. letzte Woche) gewinnen. Der delikate Wahlwerbe-Spot für Peterle Altmaier und Muschi Merkel wäre derweil schon fast fertig (unbedingt hier anschauen) – und würde zumindest Millionen Katzenfans zu einem süffisanten Miau auf dem Stimmzettel bewegen.

Ich denke, ich kann im Namen meiner liebreizenden Stubenfliege Angela sprechen, wenn ich sage: wir wären begeistert, wau!

 

2 Gedanken zu „Wau – wenn ihr nicht werdet, wie die Tiere.

  1. Wau, Wau ! Miau,Miau! Tschieb,Tschieb! Würden die tierischen Freunde sagen!😉 Und wir menschlichen Zweibeiner? Ich als eine der Wenigen ,in unserer Familie ,die mit Tieren, außer für die Kinder die unbedingt welche wollten, nichts anfangen kann, denke,es täte uns und den lieben „Tierchen“ gut wenn sie weniger Beachtung fänden und dafür unsere Mitmenschen wieder mehr!!! Denn ich finde es erschreckend wenn der Hund bei seinem Spaziergang im kühlen Herbst einen Pullover trägt und dem Kind das im Jäckchen friert,gesagt bekommt:“Wenn du feierst beweg dich mehr dann wird dir warm! „🤔

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