Teenager, die im Fernsehen weinen, weil ihnen eine hohlwangige Frau mit der Stimme eines Glasschneiders „heute kein Foto“ geben möchte.
Dickfleischige Britinnen, deren Kleidungsstil an explodierte Würstchen erinnert.
Alles, was von Inka Bause moderiert wird.
Politiker, die sich bei Anne Will Günther bei Maischberger um den eigenen kahlen Kopf und den ins Nackenfleisch schneidenden Kragen reden.
Aufkleber, die erklären, dass „Sequoia & Tyson Jeffrey an Bord“ sind.
Betrunkene, die tanzen.
Schlager-Industrie, die gesamte.
Menschen, die mit offenen Mündern in Zügen schlafen.
Socken, die in Sandalen stecken.
Für sie alle empfinde ich eine Emotion. Ein Gefühl, das mir nahe geht, mich in seiner Intensität an meine Grenzen bringt, mich diffus berührt und verwirrt zurücklässt. Für sie alle empfinde ich Scham. Fremdscham. Wie nach einem Essen beim Inder um die Ecke, lösen sie in mir alle einen mehr oder minder schweren inneren Kampf aus. Ich bin hin und her gerissen zwischen Mitleid und eigenem Leid. Zwischen tolerantem Desinteresse und purer, Schmerz verusachender Fremdscham.
Ich taumele zwischen „Lass sie doch machen – und mich ein bisschen gaffen“ und „Nicht auszuhalten – bitte umzuschalten!“
Doch warum ist es mir nicht völlig egal, wenn unglücklich gealterte C-Promis in einem 600km entfernten Fernsehstudio das letzte bisschen ihrer Würde im schlecht ausgeleuchteten Rampenlicht vertanzen? Was verbirgt sich hinter dieser Emotion? Warum erröten wir für andere? Ist es eine Form der Empathie, die einfach nur wehtut? Ist es ein bisschen Neid angesichts dieses zur Schau gestellten „Egalismus“? Ist es Wut über diese unverfrorene Blödheit? Ist es Verwirrung darüber, dass man sich fragt warum denn niemand eingreift, während man selber still beobachtet? Ist es Verzweiflung darüber, dass die Menschheit begeistert Bauer sucht Frau verfolgt und bei Politik sucht Bürger durchzappt? Ist es Entfremdung von „den anderen“?
Wie so oft passt nicht nur ein Etikett auf das Gefühl. Es ist dicht beklebt mit Klebestreifen, wie ein Schokoosterhase der im Juni noch an der Kasse ausliegt. Allen Emotionen gemein ist wohl lediglich die dahinschmelzende Erkenntnis: jeder Mensch ist eben anders – als ich selber. Das kann man akzeptieren. Oder sich daran reiben, sich ärgern, aufregen, erröten und verzweifeln. Sich daran fremdschämen. Bis man plötzlich nicht allzu alte Urlaubsschnappschüsse von sich selber in den Händen hält. Und sich fremdschämt für den Menschen auf diesem Foto – für den Fremden in sich selbst.
Ein Gedanke zu „Fremdschämen – warum erröten wir für andere?“
Oft sind wir ( Eltern) es selbst die den Grundstein, für diese starke Emotion, des Fremdschämens ,legen ! Denn Eltern sind oft die erste, für die sich ihre Kinder Fremdschämen 😊. „Mama das ist so peinlich !“ Dieser Satz fiel mir ,bei diesem Schellenaffen, ein. Auch ich habe ihn ab und an gehört aber oft in den Augen meiner Kinder gesehen. Man selbst fand es aber gar nicht so furchtbar, was man gerade so tat, nur lustig, emotional, anregend(zu was auch immer), temperamentvoll! Ach und eben einfach gut! Doch der Andere empfand das gerade eben nicht so,sondern nur mega peinlich! Und da war es ,das Fremdschämen, was uns nun unser Leben lang begleiten wird. Dieses Gefühl ,den Anderen, nicht mehr zu begreifen ,ob seines Verhaltens ! Aber seid dem ich im Rheinland lebe sag ich mir in diesen Momenten immer: „Jede Jeck ist anders und er hät noch viel Schlimmer komme könne!“😊