Dr. Google – der Arzt, dem die Todgeweihten vertrauen.

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Unruhig war der Schlaf. Kurz die Nacht. Durchkreuzt von Albträumen, in denen man sich in einer Games of Thrones-artigen Kulisse wiederfindet und durch eine unsauber durchgeführte Enthauptung zu Tode kommt. Man erwacht schweißgebadet. Nicht kopf-, aber orientierungslos. Mit dem Gefühl, ein mittelalterlicher Strongman habe des Nachts auf dem eigenen Schädel geruht. Und so ist man matt und müde an einem gewöhnlichen Montag.

Alles könnte eigentlich wie immer sein, doch dann ist da dieses eigenartige Zucken. Im rechten Augenlid. Und dieser leichte Kopfschmerz, der war doch gestern auch noch nicht da? Ermattet beschließt man zur eigenen Beruhigung und Selbsttherapie die Symptome mal eben grundlos zu ergründen. Da man bereits zu oft allen seinen medizinisch ausgebildeten Bekannten und Verwandten zu ungesunden Uhrzeiten Bilder der eigenen eingewachsenen Zehennägel geschickt hat, sucht man rat- und rastlos Abhilfe bei einem stets erreichbaren Arzt seines Misstrauens. Dr. Google. Auch wenn man eigentlich weiß: Husten, Schnupfen, Heiserkeit – Dr. Google hält die fatale Diagnose für Sie bereit.

Man beginnt das Wort „Müdigkeit“ schwach und erschöpft – ist das schon Fieberschweiß auf der Stirn? – in das Suchfeld einzutippen. Und Dr. Google weiß direkt den ersten Rat. Er schlägt vor, das Wort „Leber“ direkt mit in die Suchanfrage einzubauen. Der sehr logisch erscheinenden Empfehlung leistet man gerne Folge. Sehr viel geht einem in letzter Zeit ja über die Leber. Man ist ohnehin zu schwach, um Widerstand zu leisten.

Bereits die ersten Suchergebnisse klingen alarmierend. Man klickt auf den ersten Artikel, der mit einem alarmierend, seriösen Ausrufezeichen in der Überschrift wirbt. Und taucht tiefer ein in das eigene Befinden. Die Symptome klingen plausibel. Das mit der Konzantretation fällt ja wirklich immer schwerer. Und Kopfschmerzen hat man auch wirklich öfters. Wenn man so drüber nachdenkt, ja beinahe chronisch. Man klickt auf den Link, der einen – über den kurzen Umweg „Kopfschmerzen beim Husten“ – tiefer in das Thema Dachschaden führen soll. Während des Lesens wird einem übel. Übelkeit ist wiederum auch eines der genannten Symptome. Circa dreißig Minuten und fünf Panikattacken später steht die Diagnose fest. So fest, wie man auf den eigentlich auch immer tauber werdenden Beinen noch stehen kann. Humpelnd, röchelnd und leidend wird einem klar: Ich habe Lepra. Gepaart mit einer eiternden Leberzirrhose und einem hirnlosen Tumor. Und rheumatischer Kurzsichtigkeit. Und einer ungewollten Schwangerschaft ( Geschlecht: schnurzpiepegal ). Ganz sicher. Der ohnehin für das Kalenderjahr fest eingeplante Burnout beschleunigt sich zudem mit jeder Sekunde der Online-Recherche.

Und so steht wie bei Games of Thrones nicht die Frage, ob, sondern lediglich wann jemand stirbt im Raum. Um diese Frage abschließend zu klären, beschließt man doch einmal einen Facharzt heranzuziehen. Man möchte gerne erörtern, wie viele- sicherlich sehr wenige – Tage man  noch auf der Uhr hat.  Und so sitzt man im überfüllten Wartezimmer des Facharztes für Multimorbidität (es ist schließlich der Tag, an dem die neue Apothekenumschau erschienen ist und an diesem Tage brechen besonders viele Krankheiten aus) und recherchiert auf dem mobilen Endgerät weiter. Der Atem wird flacher. Zumal man sich einbildet,mit dieser flachen Technik der bakterienverseuchten Luft des Wartezimmer des Schreckens ein Schnüpfchen zu schlagen.

Dumpf hört man, wie endlich der eigene Name gerufen wird. Gedanklich notiert man „Hörleistung ebenfalls abnehmend“ auf der DIY-Krankenakte. Mit letzter Kraft begibt man sich ins Behandlungszimmer, fällt in den Stuhl und blickt in die freundlichen Augen desjenigen Menschen, der den Nagel auf den eigenen Sarg nageln wird. Gewiss. Man schildert seine mannigfaltigen Symptome, die eigentlich gar keinen anderen Schluss zu lassen. Je mehr man den eigenen Ausführungen zuhört, desto klarer wird das Bild. Vermutlich ist es ebenfalls eines der vielen Facetten dieses so lehrbuchhaften Krankheitsverlaufes, wenn man sich selber sprechen hört und ein Gefühl der Distanz zu sich selbst entwickelt.

Doch dann beginnt der Arzt zu sprechen. Dumpf und fern hört man seine Worte – und seine leicht abgewandelte Diagnose, die einem den Boden unter den Füßen wegzuziehen scheint: algorithmische Schwachsinnigkeit und digitale Hypochondrie. Heilungschancen schwankend – je nach Internetverbindung.

Die eigene Logorrhoe – auch bekannt als Sprechdurchfall – scheint jedenfalls spontan geheilt.

Ein Gedanke zu „Dr. Google – der Arzt, dem die Todgeweihten vertrauen.

  1. Ach ja, was wären wir ohne unseren Dr. Google, vielleicht ein bisschen entspannter und weniger oft beim Arzt!?😉 Wie heißt es so schön, was ich nicht weiß macht mich nicht heiß oder besser gesagt, verrückt! Wenn wir uns weniger auf unsere vermeintlichen Krankheiten konzentrieren und statt dessen mehr auf unsere erhaltenswerte Gesundheit besinnen würden, hätten wir mehr (länger) vom Leben. Soll heißen, weniger Handyzeiten,mehr Bewegung an der frischen Luft, gesundes Essen, statt Fastfood und schon erleben wir den Heilungsprozess unseres ach so todgeweihten Körpers, der dann auch „echte „Krankheiten (meistens) alleine bewältigt!!! Sodass wir uns auf’s wesentliche konzentrieren können, nämlich unser Leben zu genießen, jeden Tag!! Denn in der Regel haben wir allen Grund dazu 😉

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