Welches Gemüse kauft ein Galerist? Nein, welche Banane kauft ein Salafist? Ok, der Witz ging irgendwie anders. Wie er richtig lautet, weiß ich nicht. Nicht mehr. Denn ich vergaß ihn. Wie jeden anderen Witz auch, der mir erzählt und belacht wurde. Aber Witze sind nicht das Thema heute, sondern, Moment, ich komm gleich drauf, ach ja: ich habe es vergessen.
Mein Hirn kann sich nichts merken, weil es damit ausgelastet ist, Dinge zu vergessen. Witze. Toilettenpapier einzukaufen. Blumen zu gießen. Den Tee zu trinken, den man sich aufgegossen hat. Namen sind ein besonderes, namenloses Grauen. Jedes Mal, wenn sich mir jemand vorstellt, passiert das Gleiche. Ich denke: „Achtung, da kommt gleich eine Hand auf dich zu. Mit der Hand wird dir ein Name gereicht. Merke ihn dir. Sofort! Wichtig!“ Das nächste, an das ich mich erinnere, ist, dass ein langes Haar auf der Schulter meines Gegenübers lag, während mein Hirn mit der Frage beschäftigt war, ob man jemals herausfinden kann, wie fest sich der eigene Händedruck eigentlich anfühlt. So wie man den eigenen Körpergeruch ja auch nicht wahrnehmen kann, weiß man nie, wie waschlappig oder nussknackerig der eigene Händedruck ist. Aber was wollte ich sagen? Ach ja. Oft habe ich mir schon Tipps geben lassen, um mir das Ermerken von neuen Namen zu erleichtern. Zum Beispiel soll man den neuen Namen direkt aufgreifen und in einem Satz verwenden. „Schön, dich kennenzulernen, Mann mit dem Haar auf der Schulter“ Aber diese Technik vergesse ich natürlich im entscheidenden Moment. Und all diese Tricks, um das eigene Hirn zu überlisten, stoßen eh schnell an ihre Grenzen. Unser Hirn ist uns überlegen. Sich den Namen von Neugeborenen oder von gut gelaunten Fitnesstrainern zu merken (oder soll man sagen: „Toll, dass du uns heute quälst, Bianca.“?), ist so unmöglich, wie sich gegenseitig die Hand zu geben, ohne sich zu berühren. Das kann man direkt vergessen.
So, wie ich direkt vergesse, was ich eigentlich vom Dachboden holen wollte, sobald ich mich an diesem zugigen, muffigen, unwirtlichen Ort befinde. Und so gehe ich meist nicht nur in Gedanken, sondern auch physisch zurück in den Moment des Loslaufens, um herauszufinden, was ich eigentlich wollte. So bringt man einen ereignislosen Sonntag auch recht schnell über die Bühne.
Manchmal wünscht man sich in seinen dunklen Keller des Vergessens zurück, wenn man vor einem Gesicht steht und sich verzweifelt fragt, woher man diesen Menschen kennt bzw. kennen muss. Man überbrückt den Moment mit einem langgestreckten „Hey na“, als würde die Person Na heißen. Man hofft, dass dieser Na zeitnah Stichworte liefert, die einem dabei helfen, das Gesicht einem Lebensbereich zuzuordnen. Gerne würde man zur Überbrückung der peinlichen Situation einen Witz erzählen. Aber das kann man ja nicht.
Ebenso wenig, wie man sich Träume merken kann. An Telefonnummern, Geburtstage und Passwörter versucht man sich gar nicht mehr zu erinnern. Das übergibt man alles an externe Speichermedien. Unvergesslich wird es nur, wenn man morgens eine Geburtstagserinnerung bekommt und zwei Tage später feststellt, dass man den verfassten Geburtstagsgruß vergessen hat abzusenden. Man kann nur hoffen, dass das Geburtstagskind die eigenen Unzulänglichkeiten schnell wieder vergisst. So wie man selber manchmal sein eigenes Alter vergisst. An die erste Ziffer hat man sich ja hinreichend gewöhnt, aber welches war noch mal die zweite Ziffer? 3 oder 4?
Immerhin hat man sich Zahlen und Buchstaben per se langfristig gemerkt. Auch wenn man sich nicht mehr an den Tag erinnert, an dem man das erste Mal seinen Namen schreiben konnte: in der ersten Klasse lief noch einiges richtig. An vieles, was man in den Jahren danach gelernt hat, erinnert man sich hingegen nicht mehr. Wann war der dreißigjährige Krieg? Wie heißt dieser Baum? An den Namen des Physiklehrers mit der Schuppenflechte erinnert man sich hingegen überraschenderweise noch immer. Je älter man wurde, desto mehr perfektionierte man schließlich das System der Druckbetankung: maximale Aufnahme von Wissen für eine minimale Speicherdauer. Nach jeder Prüfung nieste man das Erlernte sofort wieder aus. Um Platz zu machen für die nächste Prüfung oder die Namen aller Backstreet Boys mitsamt ihrer Hobbys.
Wie eine Batterie scheint sich das Hirn durch dieses mehrfache Auf- und Entladen abgenutzt zu haben. Das mit dem Merken wird merklich schwieriger. Manchmal bleiben nur noch Bruchstücke übrig. Ich weiß, dass ich die Person kenne, aber nicht mehr woher. Ich erinnere mich daran, dass ich zu jemandem sagte „Erinnere mich daran“, aber was es ist oder wer es war, weiß ich nicht mehr. Ich entsinne mich daran, dass mir ein Thema für den nächsten Schellenaffen einfiel, aber ich weiß nicht mehr, welches. Und so greift man zu Hilfsmitteln. Listen. Post-It-Zettel (liebevoll „Gedenktäfelchen“ genannt). Eselsbrücken. Irgendwann wusste man sogar mal, woher der Ausdruck Eselsbrücken stammt. Doch je mehr Hilfsmittel man verwendet, desto waschlappiger wird der eigene Hirnlappen. Und ehe man sich versieht, legt man eine Liste mit allen Listen an. Wie listig.
Ich hatte mir eine ganz pfiffige Pointe für diesen Text ausgedacht. Aber was soll ich sagen. Da niemand zu mir gesagt hat „Ach, vergiss es“ (bekannt als Erinnerungsgarant), habe ich auch diese vergessen. Irgendjemand wird mir jetzt schlau raten: denke nicht dran, dann fällt sie dir wieder ein. Der Hinweis ist so hilf- und inhaltsreich, als ob man einem Hungrigen sagt „wenn du satt bist, brennt irgendwo eine Kerze“. Und doch liegt etwas Wahres in diesem Satz: So wie unser Hirn ohne unser Zutun weiß, wie man Pullover anzieht (siehe Der Autopulliot.), so weiß es eben auch, Dinge zu vergessen. Oder zu erinnern. Viel machen kann man da als Gast im eigenen Kopf jedenfalls eh nicht. Man kann nur hoffen, dass einem der Witz irgendwann wieder einfällt. Um dann festzustellen, dass er nicht ganz so unvergesslich ist, wie gedacht: Welches Obst kauft ein Egoist?
Einen Pfirsich.
2 Gedanken zu „Thema: Vergessen.“
Wie der Schellenaffe schon richtig erkannt hat, ist Vergessen eine hervorragende Einrichtung unseres Gehirns, sich selbst vor der Zerstörung, durch Überlastung, zu schützen. Was wir mit unseren diversen Medienspeichern notgedrungen ab und an machen müssen,weil wir sonst unser diversen Listen nicht mehr speichern können, macht unser Gehirn von ganz alleine. Es mistet aus! Und zwar nach seinen eigenen Vorgaben. Witze, Einkaufsliste, Namen von unwichtigen Mitmenschen, Geburtstage von eben diesen u.v.m.! Ansonsten würde unsere Schaltzentrale irgedwann explodieren und alles wäre hin. Lieber vergesse ich Witze und das Toilettenpapier, als eine wunderschöne Erinnerung von einer einmaligen Reise! Ich vertraue da vollkommen meinen klugen Kopf, er wird mich auch weiterhin so durch’s Leben steuern, dass mir schon immer was einfällt, wenn’s drauf ankommt!😉🤔
Der korrekte Witz lautet: “Für wen kauft der Egoist Obst.”
Aber hey, q.e.d. =)