Wurstegal.

Wurstegal Wurst Käse Vegetarier Vegan Veganer Fleisch

Dieser Duft. Dieser Geruch, der schon beim Gedanken daran, beim Schreiben darüber den Speichel im Mund sprudeln lässt. Dieses Odeur de gegrilltes Steak. Es betört die Sinne und betäubt den Verstand. Saftig einladend auf dem Teller platziert, verheißungsvoll zart liegt es angeschnitten vor mir, dieses Stück purer Genuss. Mein Gegenüber pikst ein besonders anmutig erscheinendes Stück auf seine Gabel und lacht mich hämisch grinsend an: „Na, sicher, dass du nichts möchtest?“ Der betörende Teller ist nicht mein Teller.

Diese Szene habe ich in abgewandelter, aber immer fleischlich realer Form unzählige Male erlebt. Seit ich mich darum bemühe, mich vegetarisch zu ernähren, stelle ich fest, wie nervtötend es ist, wenn Menschen andere penetrant von ihren Ideologien überzeugen und zu ihren Glaubenssätzen bekehren wollen. Anderen vorgeben zu wollen, was sie zu tun oder zu lassen haben. Was sie zu essen haben. Dabei begegnen einem doch eher selten militante, ungewaschene Veganer, die anderen den Milchkaffee aus der Hand schlagen und mit brennenden Tofu-Briketts um sich werfen. Rechthaberisch und angriffslustig sind meist die anderen. Die Vegetarier-Fresser, vor denen man sich beinahe dafür schämen muss, für all die armen, niedlichen Tiere, die wegen mir nicht getötet werden. Schämst du dich nicht für deine Extrawurst?

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Mache ich eine Ausnahme, um der Köchin zu huldigen, die ihren Urlaubstag mit einem Truthahn in der Küche verbracht hat oder wenn im Urlaub die Frage nach einem vegetarischen Gericht mit „So, chicken?“ beantwortet wird, ist das ein besonders gefundenes Fressen für die Fleischesser. Also doch keinen Hack besser.

Doch warum löst eine so persönliche Entscheidung, wie die  der eigene Ernährung, so starke Reaktionen bei anderen aus, die weder mit meinem Gaumen noch meinem Magen verbunden sind? Würde ich nach all den Jahren wieder anfangen, Diddl-Blätter zu sammeln, würde ich vermutlich mitleidig beäugt werden und kaum einer würde befürchten, ich würde ihn ebenfalls dazu bekehren wollen mitzusammeln. Selbst, wenn ich fragen würde, warum jemand nicht mitmachen möchte, würde er lediglich achselzuckend „kannste halt knicken“ sagen. Die Konversation wäre kürzer als eine Knackwurst. Hätte ich eine Allergie, würde sich keiner veranlasst fühlen, genüsslich ein bisschen Gluten in sich hineinzuschaufeln und „hmm, lecker“ zu sagen. Reagiert mein eigenes Gewissen allergisch auf das Töten von Lebewesen und unnötiges Zerstören von dem bisschen Klima, das es noch zu retten gibt, ist das etwas anderes. Wenn ich sage, ich esse keinen Hund, halten mich alle für einen schlechten Witz. Wenn ich sage, ich esse nichts was ein Fell hat, egal ob es Sitzmachen kann, ist es besserwisserischer Ernst.

Die Reaktionen schwanken zwischen „Geschnetzeltem Zynischer Art“ und einem Hackbraten aus Rechtfertigungen. Wer selbst kein Fleisch mehr isst, weiß auf einmal, wie viel Fleisch andere Menschen konsumieren. Weil sie es ungefragt erzählen. Warum? Das eigene schlechte Gewissen sitzt plötzlich mit am Tisch und stochert genüsslich im Salat herum. Unbewusst sitzen die Schlagzeilen über barbarische Massentierhaltung und verheerende Klimabilanzen furzender Kühe mit am Tisch und fragen, ob man ihnen das Wasser reichen könnte. Kann man nicht. Daher erzählt man, dass man nun wirklich nur noch selten Fleisch esse, als hoffe man, das grüne Gegenüber würde einem nicht auch noch den letzten Hähnchenschenkel aus der Hand reißen.

Dabei wünsche ich jedem, der sein Gewissen unter einer Bratensauce verstecken kann, guten Appetit. Ich hoffe, es schmeckt. Wirklich. Ich möchte niemandem über die Entenleber laufen.

Doch ein Vegetarier verdirbt oft den Appetit. Er wird als mitessender Vorwurf empfunden. Eine Provokation. Mehr noch: Er wird mit seinem Grillkäse und Süßkartoffeln auf dem Teller als eine bittere Bedrohung empfunden. Eine Bedrohung der eigenen Lebensgewohnheiten. Eine Bedrohung der persönlichen Freiheit. Eine Bedrohung des Schnitzeltages. Da wird der Fleischesser in der Pfanne verrückt.  Komischerweise wurden sehr selten 10% der Bevölkerung so viel Macht zugesprochen, dass sie einen der größten Industriezweige Deutschlands in die Knie zwingen und Kantinenspeisepläne zu einer fleischfreien Zone erklären könnten. Das wäre so, als würde man Angst davor haben, dass die FDP den nächsten aalglatten, unrasierten Bundespräsidenten stellen und die soziale Marktwirtschaft eindämmen würde (10,7% der Stimmen bei der letzten Bundestagswahl). Wie genau soll ich mit meinem Grünkernbratling gegen die 60kg jährlichem Fleischkonsum pro deutschem Magen ankommen?

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Und selbst wenn der Anteil der Vegetarier und Veganer an der essenden Bevölkerung steigen sollte, sollte man dann nicht davon ausgehen, dass hier das Prinzip der Schwarmintelligenz greift und weniger das der ideologischen Verblendung? Warum sollte auf einmal „alles Käse“ sein? Wäre dies nicht vielmehr ein Zeichen dafür, dass mehr Menschen den Zusammenhang zwischen den Kulleraugen eines Kälbchens und dem duftenden Steak auf dem Teller nicht länger ignorieren? Wäre nicht mehr sprießende Vielfalt statt blutiger Einfalt die Folge? Mehr Falafel statt immer Döner. Mehr Pommes statt nur Currywurst. Mehr Funghi statt ewig Prosciutto. Niemand wird dazu gezwungen werden, Tofuwürstchen und vegane Schnitzel zu essen. Das wirkte ohnehin so, als würde man sein klappriges Hollandrad mit Motorengeräuschen ausstatten lassen, weil man sein Auto vermisst. Aber wir werden vermutlich, hoffentlich, alle dazu gezwungen werden, den wahren Preis unseres Konsums zu bezahlen. Der wahre Preis ist eben nicht 3,33€ für ein Kilo Schweinerippen. Wir werden uns mit den Folgen unseres Verhaltens beschäftigen müssen. Uns mit unserem Gewissen auseinandersetzen. Also Dinge lernen, die man eigentlich bereits kleinen Kindern gemeinsam mit den Essmanieren versucht beizubringen.

Anstatt Vegetarier also mit Erbsen zu bewerfen, fragt sie doch einfach mal, warum sie sich dafür entschieden haben, einen anderen Weg als 90% der restlichen Bevölkerung einzuschlagen? Oder lasst sie einfach in Ruhe aufessen und akzeptiert, dass Geschmäcke eben verschieden sind. Was man selber isst, sollte doch eigentlich anderen wurstegal sein. Denn diese gegenseitigen Bekehrungsversuche sind doch vor allem eines: Käse.

Ein Gedanke zu „Wurstegal.

  1. Wie recht der Schellenaffe wieder hat! Essen sollte, wenn wie in unseren Bereiten genug davon da ist ,eine ganz persönliche Angelegenheit sein! Also wenn es um Geschmack und Vorlieben geht! Wenn es aber ans „Eingemachte“ geht, sprich an die letzten Reserven, sollte jeder überlegen was er ändern kann!
    Jemand der etwas nicht essen darf, weil er sonst krank wird(wie Zucker, Alkohol, Gluten usw) wird hingenommen und sogar unterstützt! Darum ist derjenige der unser Klima wenigstens minimal gesunden lassen möchte, eigentlich sehr vernünftig und wenn er dies noch unaufgeregt und leise macht, nicht mal ein Aufkleber sein Fahrrad ziert (ich esse kein Fleisch, um die Welt zu retten zB) sollten wir ihn eher bewundern als belächeln. So nach dem Kinderspruch:“ Jeder isst soviel er kann, nur nicht die Kuh von neben an!“….oder so!😉

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